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Ein amerikanischer Thriller

Ein amerikanischer Thriller

Titel: Ein amerikanischer Thriller
Autoren: James Ellroy
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nicht schlafen. Den Champagner rührte er
    nicht an – Alkohol wurde allmählich zur Schwäche.
    Das Telefon klingelte. Er stand auf und ging zum Apparat
    in der Diele.
    »Ja?«
    »Ich bin’s, Pete.«
    »Ward. Um Himmels willen, wie bist du an die –«
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    »Banister hat mich soeben angerufen«, sagte Littell. »Juan
    Canestel ist in Dal as verschwunden. Ich schicke dir Kemper
    rüber, damit ihr zwei ihn findet und sicherstellt, daß am
    Freitag alles glatt geht.«
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    (Dallas, 20. 11. 63)
    Das Flugzeug rollte vor einem Frachtdeck aus. Sie hatten
    seit Meridian Rückenwinde gehabt und die Entfernung in
    weniger als zwei Stunden geschafft.
    Littell hatte eine Privatmaschine gechartert. Und den
    Piloten angewiesen, auf Teufel komm raus zu fliegen. Der
    winzige Zweisitzer wurde derartig hin- und hergerüttelt, daß
    Kemper fast nicht glauben konnte, daß sie sich in der Luft
    zu halten vermochten.
    Es war 23 Uhr 48. Sechsunddreißig Stunden vor dem
    EINSATZ.
    Autoscheinwerfer gingen an – Petes Signal.
    Kemper löste seinen Sicherheitsgurt. Der Pilot öffnete
    ihm die Tür.
    Kemper sprang raus. Der Wagen fuhr vor. Kemper stieg
    ein. Pete preschte mit Vollgas über ein paar Rollfelder.
    Über ihnen rauschte ein Jet. Love Field wirkte wie aus
    einer anderen Welt.
    »Was hat Ward dir erzählt?« fragte Pete.
    »Daß Juan abgehauen ist. Und daß Guy befürchtet, Carlos
    und die anderen könnten daraus schließen, er habe Mist gebaut.«
    »Das hat er mir auch erzählt. Und ich habe ihm klarge-
    macht, daß mir die Aktion zu riskant ist, wenn nicht jemand
    Carlos erzählt, daß wir eingesprungen sind und Banister aus
    der Scheiße geholfen haben.«
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    Kemper öffnete das Fenster. Die Ohren taten ihm gott-
    verdammt weh.
    »Wie hat Ward reagiert?«
    »Er will es Carlos nach dem Attentat sagen. Wenn wir
    Canestel finden und das Scheißunternehmen retten.«
    Ein Funkgerät knisterte. Pete drehte es leiser.
    »J. D. Tippits Privatwagen. Er und Rogers schauen sich um,
    und wenn sie Juan zu sehen kriegen, greifen wir ein. Tippit
    kann seine Streife nicht verlassen, und Chuck darf nichts
    unternehmen, was ihn irgendwie davon abhalten könnte, bei
    dem Attentat rechtzeitig auf seinem Posten zu sein.«
    Sie mußten Gepäckwagen ausweichen. Kemper beugte
    sich zum Fenster hinaus und schluckte drei Dexedrin.
    »Wo ist Banister?«
    »Er fliegt später aus New Orleans ein. Er hält Juan für
    zuverlässig, und fal s sie ihn aus irgendeinem Grund verlieren
    sollten, wird er ihn durch Rogers ersetzen.«
    Sie wußten, daß Juan labil war. Daß er möglicherweise
    auch ein Sexualmörder war, hatten sie nicht geschnallt. Die
    ganze Operation war versaut und stank zehn Meilen gegen
    den Wind nach banausenhaftem Flickwerk.
    »Wo fahren wir hin?«
    »Zu Jack Rubys Club. Laut Rogers soll Juan die Nutten
    dort mögen. Du gehst rein – Ruby kennt dich nicht.«
    Kemper lachte. »Ward hat Carlos geraten, einem Psycho-
    pathen mit knallrotem Wagen nicht zu trauen.«
    »Du hast ihm getraut«, sagte Pete.
    »Ich habe dazugelernt.«
    »Heißt das, daß ich nicht alles über Juan weiß?«
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    »Das heißt, daß ich aufgehört habe, Jack zu hassen. Und
    daß es mir letztlich ziemlich egal ist, ob sie ihn umbringen
    oder nicht.«
    Im Carousel Club war während der Woche kaum was los.
    Eine Stripperin zog sich auf der Bühne aus. Die vorderen
    Tische waren von zwei Bullen in Zivil und einer Nuttenc-
    lique besetzt.
    Kemper saß beim Hintereingang. Er hatte die Birne der
    Tischlampe herausgeschraubt – von der Hüfte aufwärts saß
    er im Dunkeln.
    Er konnte die Vorder- und Hintertüren überblicken. Er
    konnte die Bühne und die vorderen Tische überblicken. Im
    Schatten war er so gut wie unsichtbar.
    Pete wartete am Hinterausgang im Wagen. Er wol te nicht
    von Jack Ruby erkannt werden.
    Die Stripperin zog sich zu Musik von André Kostelanetz
    aus. Der Plattenspieler eierte.
    Kemper nippte an einem Scotch. Der löste einen unmit-
    telbaren Dexedrinschub aus. Und er begriff: Er hatte die
    Möglichkeit, mit dem Attentat zu spielen, mit dem Schicksal
    zu spielen.
    Ein Hund rannte über die Bühne. Die Stripperin kickte
    ihn weg. Juan Canestel kam zur Vordertür herein.
    Er war allein. Trug Militärhemd und Jeans.
    Er ging schnurstracks zum Nuttentisch.
    Er hatte sich den Hosenlatz noch mehr ausgestopft als
    sonst. Aus der linken Hintertasche ragte, deutlich sichtbar,
    ein Messer.
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    Im Hosenbund hatte er eine Rolladenschnur stecken.
    Juan
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