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Eifelheiler (German Edition)

Eifelheiler (German Edition)

Titel: Eifelheiler (German Edition)
Autoren: Rudolf Jagusch
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nahe an ihm vorbei und nahm sich ein Glas Wasser von der
Anrichte. »Ich male in meiner Freizeit. In der Woche bin ich in Luxemburg
tätig.«
    »Sie wohnen hier also nur am Wochenende?«
    »Nicht ungewöhnlich für Kronenburg. Bekanntester Besitzer eines
Zweitwohnsitzes in diesem schönen Städtchen dürfte wohl Wolfgang Niedecken
sein, der Sänger von BAP .«
    »Ah, okay«, sagte Welscher. »Wusste ich gar nicht.« In ihm keimten
Zweifel daran auf, dass er hier etwas Näheres über die Verstorbene erfahren
würde. Vermutlich schloss sich Frau de Witt samstags und sonntags hier ein und
malte bis zum Umfallen. Kontakte zu den Einheimischen dürfte sie so eher selten
haben. »Und in Luxemburg sind Sie in der Finanzbranche tätig?«, fragte er.
    »Wie kommen Sie darauf? Sehe ich aus wie eine Bankerin?«
    »Sicher nicht.« Welcher zuckte mit den Schultern. »Ins Blaue hinein
geraten«, gab er zu. »Luxemburg ist für mich eine Bankenstadt. Deswegen vermute
ich bei jedem, der dort arbeitet, eine Verbindung zu den Hochfinanzen.«
    Sie bot ihm Wasser an. »Sie liegen richtig. Investment.«
    Dankbar nahm Welscher das Glas und trank. Dabei versuchte er, sich
die Frau in einem edlen Kostüm mit weißer Bluse und feinen Schuhen
vorzustellen, die Aktentasche unter die Achseln gepresst, ein Smartphone in der
Hand. Es gelang ihm nicht richtig. Ihre Präsenz als Künstlerin war übermächtig.
»Frau de Witt«, Welscher gab ihr das Glas zurück, »das ist doch Ihr Name?«
    Sie nickte. »Larissa de Witt.«
    »Der fünfte Planet des Neptun«, murmelte Welscher. Wieder spülte
eine Erinnerungswelle den Dachboden seines Elternhauses in sein Gedächtnis.
    »Ja. Und die Tochter des Königs Pelasgos und einer Nymphe. Larissa
ist eine Gestalt aus der griechischen Mythologie.«
    »Äh … ja.« Er verdrängte die störenden Gedanken. »Frau de Witt,
können Sie mir etwas über Veronika Kramann erzählen? Kannten Sie sich näher?«
    Ihr Lächeln verschwand. »Und sie ist tatsächlich tot?«
    Welscher seufzte. Er wusste nicht, wie nahe Larissa de Witt dem
Opfer stand. Und so konnte er nicht einschätzen, wie viel Mitgefühl angebracht
war.
    Jetzt schloss sie kurz die Augen und schwankte. Welscher wappnete
sich, ihr hilfreich zur Seite zu springen.
    Doch ihre Schwäche war nur von kurzer Dauer. »Sollen wir nach oben
gehen?«, sagte sie mit kraftloser Stimme. »Da können wir uns setzen.« Ohne eine
Antwort abzuwarten, ging sie voran.
    Der obere Raum war zweckmäßig eingerichtet: eine Küchenzeile, eine
kleine Couchgarnitur, ein Bett, ein kleiner Kleiderschrank. Auf dem Nachttisch
lagen einige Romane. Eine weitere Tür ging von dem Zimmer ab. Vermutlich zum
Bad, dachte Welscher. Ein Telefon, einen Fernseher oder einen Computer sah er
nicht. Er setzte sich auf einen Sessel und zückte sein Notizbuch.
    Larissa de Witt setzte sich ihm gegenüber auf die Couch und zog die
Beine unter. »Bevor ich anfange zu erzählen, sind Sie mir noch eine Antwort
schuldig. Es war Mord, oder?« Ihre Stimme raspelte rau über die tiefen
Tonlagen.
    »Wie kommen Sie darauf?«, wich Welscher aus. »Und ›schuldig‹, na ja.
Ich denke nicht, dass ich Ihnen solche Dinge erzählen muss.«
    Sie zupfte nervös an ihrem Ponchokleid. »Ja, entschuldigen Sie
bitte. Es ist nur so, dass …«
    »Ja?«
    »Vrönn hat mir erzählt, jemand schleiche in ihrem Haus herum. Nachts
hörte sie Geräusche, das Knarren von Dielen, quietschende Türen. Und Schritte.
Gegenstände lagen anders, als sie es in Erinnerung hatte. All solche Dinge
eben, die darauf hinweisen, dass jemand im Haus war.« Sie atmete heftig ein und
aus. »Dieser Geist hat sie bestimmt umgebracht.«
    Welscher sah sie zweifelnd an. In einem denkmalgeschützten Haus war
es vermutlich normal, dass die Dielen knarzten, das Fachwerk arbeitete und die
Türen sich verzogen. Eine überspannte Phantasie konnte daraus rasch einen Geist
kreieren. Andererseits kannte man als Bewohner sicherlich die üblichen
Geräusche und konnte sie zuordnen. »Ein Geist?«, fragte er.
    »Stammt nicht von mir. Vrönn hat ihn so bezeichnet.«
    Welscher hatte diesen in der Eifel gebräuchlichen Spitznamen noch
nie gemocht. Er war aber wohl nur dadurch zu umgehen, dass man seinem Kind
einen vollkommen anderen Namen gab. Denn was für einen Sinn hatte es, sein Kind
Veronika zu nennen, wenn dann doch jeder nur Vrönn sagte?
    Er notierte sich ein paar Stichworte. »Ziehen wir daraus keine
voreiligen Schlüsse. Ob das überhaupt zusammenhängt, muss
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