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Eifelheiler (German Edition)

Eifelheiler (German Edition)

Titel: Eifelheiler (German Edition)
Autoren: Rudolf Jagusch
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angenehm warmer Wind empfing Fischbach, als er um die Ecke
bog und den Kirchberg hinaufging. Die kalte Zeit schien vorbei zu sein, doch er
traute den Frühlingsvorboten noch nicht ganz. Diesmal war es ein langer und heftiger
Winter gewesen, selbst für die Eifeler, die ja einiges gewohnt waren. Der
Schnee war inzwischen verschwunden und hatte matschige braune Wiesen
hinterlassen, doch die Eisheiligen standen noch bevor. Erfahrungsgemäß sackten
die Temperaturen in diesen Tagen erneut in den Keller. Fischbach nahm sich vor,
darauf zu achten, dass Sigrid seine langen Unterhosen nicht allzu weit in die
hintersten Ecken des Kleiderschrankes verbannte.
    Links vor ihm reckte sich der Turm der St. Severinus Kirche in
den klaren Nachthimmel. Die Ziegelsteine glänzten feucht. Fischbach schluckte
schwer. Der Anblick der Kirche rief in ihm regelmäßig schlimme Erinnerungen
wach. Er, in der ersten Reihe auf der Kirchenbank, ohne Tränen, da er bereits
so viele vergossen hatte. Vor sich die beiden Särge. Trauermusik, Trauerrede,
Trauergäste, der Gang zum Friedhof, die auf das Holz herabprasselnde Erde. Der
Grabstein, auf dem noch Platz für seinen Namen war.
    In den Monaten danach hatte er alles darangesetzt, diese Lücke auf
dem Stein zu füllen. Regelmäßig zu viel Alkohol und andere Drogen konsumiert,
gerne auch in Kombination. Erst als Sigrid in seine Welt eingedrungen war, war
er von der Schwelle zum Tod zurückgekehrt in ein zufriedenes Leben. Inzwischen
hatte er gelernt, mit der Vergangenheit umzugehen. Doch er hatte es bisher
nicht übers Herz gebracht, die Kirche ein weiteres Mal zu betreten.
    Er spürte ein nervöses Grummeln in seiner Magengrube. In Kronenburg
würden die Angehörigen des Mordopfers nun das Gleiche durchmachen müssen wie er
vor Jahren hier in Euskirchen. Wurde jemand so unerwartet abgerufen, war das
immer ein besonderer Schock, der einem den Boden unter den Füßen wegziehen
konnte.
    Auf Höhe des Pfarrhauses, von den K-Heroes scherzhaft als »Vatikan«
bezeichnet, blieb er stehen. Er stemmte die Arme in die Hüften und keuchte. Er
wuchtete definitiv zu viel Körpergewicht auf die Waage. Seine geliebte K-Heroes-Lederjacke
spannte bedenklich über seinem Bauch. Er musste abnehmen, das war ihm klar. Oft
genug hatte er in den letzten Monaten damit begonnen. Doch Sigrid torpedierte
dieses Unterfangen kontinuierlich. Selbst etwas rundlich, störte sie sich nicht
an seinen Pfunden und liebte es, ihn mit kulinarischen Köstlichkeiten zu
verwöhnen.
    Fischbach schmunzelte. Eigentlich konnte er sich ja glücklich
schätzen mit einer Frau an der Seite, die keinen gestählten Männerkörper
erwartete. Er kannte Ehen, die an Bierbäuchen gescheitert waren. Doch leider
fühlte er selbst sich in seinem Körper unwohl.
    Die Haustür des Pfarrhauses wurde geöffnet, und ein langer, dürrer
Mann trat heraus. Seine riesige, knorrige Nase warf im Licht der
Außenbeleuchtung einen markanten Schatten auf das Pflaster der Einfahrt.
    »Willst du hier Wurzeln schlagen? Ich denke, du hast es eilig.
Arbeit und Fleiß, das sind die Flügel, sie führen über Strom und Hügel.«
    Pfarrer Klaus Levknecht, seines Zeichens ebenfalls Mitglied der K-Heroes,
warf gerne mit Aphorismen um sich.
    »Nu dohn ens nett esu hüü, ömme schön peu à peu«, sagte Fischbach
und lachte. Er gab Levknecht die Hand. »Danke, dass du Zeit für mich hast.«
    Levknecht winkte ab. »Ich wäre sowieso gleich zu euch
runtergekommen. Die liebe alte Beißel liegt im Sterben, sie hat mich
aufgehalten. Aber jetzt lass uns losfahren.« Er warf Fischbach einen Helm zu
und stieg auf seine nagelneue Yamaha Vmax.
    Fischbach durfte zum ersten Mal auf dem »Heiligen Stuhl« mitfahren.
Levknecht war in solchen Dingen eigen. Ein Sozius störte nur, das war seine
klare und unumstößliche Ansicht. Dass er sozusagen ein drittes Rad an der
Maschine war, pflegte er außerdem zu verdeutlichen.
    Aber heute ging es nicht anders.
    Fischbach streifte sich den Helm über und nahm auf der winzigen
Soziusbank hinter Levknecht Platz. Die Knie hingen ihm fast an den Wangen, als
er es endlich geschafft hatte, die Füße auf die Rasten zu stellen. Mangels
Haltebügel umschlang er Levknechts Taille mit den Armen.
    »Komm mir nicht zu nahe«, rief Levknecht und drehte lachend den
Zündschlüssel. Heiser erwachte der Motor unter ihnen, und einen Augenblick
später ging es mit einem durchdrehenden Hinterrad und röhrendem Auspuff
Richtung Kronenburg.
    Der Höllenritt hatte
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