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Eifel-Schnee

Eifel-Schnee

Titel: Eifel-Schnee
Autoren: Jacques Berndorf
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ausschließlich die hohe Zeit der Laubsäge und der handgeschöpften Norwegerpullover. Ich war unruhig, ich wußte nicht, was ich tun sollte, das Haus war sehr still, die Katzen lagen eng aneinandergeschmiegt auf der Fensterbank zum Garten hin und hatten wohl beschlossen, mich zu übersehen, keine Streiche auszuhecken.
    Da rief Rodenstock an und fragte, ohne jeden Gruß und ohne fröhliche Weihnacht: »Sag mal, kommst du dir auch so überflüssig vor?« Als könnte ich ihn beschimpfen oder ihm die Leviten lesen wollen, fuhr er schnell fort: »Ich weiß, daß Dinah bei ihren Eltern ist, Gott schütze die Eltern. Sag mal, was war das für ein Brand heute nacht? Ich meine den in Jünkerath.«
    »Es hat zwei junge Leute erwischt. Sieht nach Doppelmord aus.«
    »Mit anderen Worten, du recherchierst schon?« Er wirkte gierig.
    »Nein. Und ich weiß nicht, ob ich einsteigen soll. Erst sind sie getötet worden. Wie, weiß ich nicht. Dann ist ihnen Heroin gespritzt worden. Warum, weiß ich nicht. Dann wurde ihnen die Bude überm Kopf angezündet. Frag mich nicht, was das alles soll. Wenn es einen Oscar für Dämlichkeiten geben würde, müßte dieser Täter einen kriegen. Das ist ja fast so dumm wie die Krimis im Fernsehen.«
    »Wieso denn?« fragte Rodenstock gemütlich. »Vielleicht dient das alles nur der Verwirrung? Und die Toten? Was waren das für Leute?«
    »Es waren keine Leute, es waren Leutchen. Junge Menschen, solche von der falschen Straßenseite, solche, mit denen anständige Eifler sich überhaupt nicht abgeben. Wo hast du eigentlich davon gehört?«
    »SWF drei, Radio RPR, WDR II, die sind alle voll davon. Aber niemand sagt, daß es sich um Mord handelt. Ich vermute mal, das fällt unter die Kategorie ,tragische Schicksale dicht am Weihnachtsbaum'. Was hältst du davon: komm her, und wir weinen zusammen!«
    »Keinen Bock. Wer leitet die Mordkommission zur Zeit?«
    »Ein Mann namens Sternbeck. Dem Vernehmen nach hat er anstelle eines Rückgrats ein Stück Naturgummi. Angeblich ist er ein fauler Hund, der seine Leute antreibt und gelegentlich willigen Sekretärinnen die Röcke hebt. Komm schon, Baumeister, schwing dich in dein Auto, und mach einen Besuch bei einem schweigsamen Rentner an der Mosel. Du kannst Dinah auch von hier aus nerven, falls es das ist.«
    »Das ist es nicht, mein Lieber. Ich bin durcheinander, weil ich einem Kind begegnet bin, das zusehen mußte, wie die einzigen Menschen, die es liebte, verbrannt sind. Das schmeißt mich irgendwie. Ich komme mir überflüssig vor.«
    »Weißt du, wie man Bratäpfel macht?«
    »Was soll das?«
    »Also, weißt du es oder nicht?«
    »Na ja, Apfel aushöhlen, mit Nüssen und Rosinen füllen, ab in die Röhre. Nach ungefähr einer oder zwei Stunden ...«
    »Alles falsch. Apfel aushöhlen ist richtig. Aber dann mußt du die Rosinen in Brandy tränken, ach so, du bist ja Abstinenzler.«
    »Na gut. Komm schon her. Nein, warte, ich hole dich ab.«
    »Endlich hast du begriffen, was mich bewegt.« Rodenstock krähte ziemlich fröhlich. Ich wußte, daß er Weihnachten immer an seine Frau dachte und sich dabei scheußlich fühlte. Seit sie gestorben war, lebte er in dem diffusen Gefühl, an ihrem Tod schuld zu sein.
    Ich fuhr also über Walsdorf und Zilsdorf nach Daun, dann nach Mehren, querte die Autobahn und schoß über die Höhen der Mosel, als würde ich dafür bezahlt. Schwarz wie Tinte pulste der von Wasserbauern schlicht versaute Fluß durch das Tal, verströmte den Charme einer zu dicken Sopranistin im Hüftgürtel; sein Wasser murmelte nicht einmal, schlabberte dahin wie Öl.
    Rodenstock hatte mittlerweile die dritte Flasche eines staubtrockenen Rieslings in Angriff genommen und war dabei etwas weinerlich geworden.
    »Verdammt«, murmelte er leicht lallend, »dieses Weihnachten ist eine beschissene Zeit.«
    Ich gab ihm recht und trug seinen Koffer. Wir waren noch nicht einmal an der Obergrenze der Weinberge, als er mit sattem Schnarchen kundtat, daß es ihm eigentlich verdammt gut ging. Vor Dreis-Brück fragte er dann plötzlich: »Wie alt ist denn das Kind?«
    »Zehn Jahre, schätze ich. Der tote Mann war sein großer Bruder. Und der wollte angeblich mit mir über Probleme reden. Jetzt geht das nicht mehr.«
    »Wer sagt das?«
    »Das Kind. Ach, vergiß es. Es ist eine Scheißgeschichte unter Jugendlichen oder so.«
    »Sieh mal da, ein Fuchs.«
    »Wir haben viel zu viel Füchse. Manche von ihnen laufen nicht mehr weg, wenn du mit dem Auto vorbeikommst. Und auf
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