Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eifel-Krieg

Eifel-Krieg

Titel: Eifel-Krieg
Autoren: Jacques Berndorf
Vom Netzwerk:
antwortete: »Der Mann war ein sicher sehr kluger Religionslehrer, aber Begeisterungsstürme hat er weltweit nicht ausgelöst. Er war schlapp und gebrechlich, und er wollte das Amt nicht.«
    »Moment, er hat aber kluge Dinge gesagt«, widersprach er.
    »Ja, ja, und alle brennenden Probleme ließ er folgerichtig links liegen, die Lesben, die Schwulen, die Frauen, den Zölibat, die gründliche Aufarbeitung der Missbrauchsfälle, das erschreckende Fehlen an jungen Priestern. Nur dass er kündigte, zeugt von sehr viel Mut.« Ich hatte das Thema nicht gewollt, jetzt war ich mittendrin. Rodenstock schaffte es immer wieder. Ich fuhr fort: »Die katholische Kirche hat seit 1990 in Deutschland fast vier Millionen Gläubige verloren. Das ist nichts für uns, Rodenstock, nicht in dieser katholischen Eifel, in der Gläubige in den Kirchen nur noch wie die Versammlung eines Altenheims aussehen. Der Verein liegt in Europa am Boden und gibt das nicht einmal zu. Für mich ist er kein Thema mehr.«
    Er lächelte und fragte: »Und wie ist es mit der Windkraft im Wald?«
    »Ein paar Ortsbürgermeister machen den Wald kaputt, sonst nichts«, entgegnete ich. »Wer das ernsthaft will, zerstört das Waldland Eifel. Auch kein Thema.«
    »Pferdefleisch?«, fragte er gemütlich. »Bio-Eier?«
    »Das muss man reparieren, sonst nichts. Ein paar gierige Firmen dichtmachen, nichts weiter. Aber das wird sowieso nicht passieren.«
    »Und der neue Heino? Ist er nicht wunderbar?«
    »Ja, durchaus, da stimme ich dir zu. Das hat einsame Klasse. Aber ein Thema ist es auch nicht.«
    »Und wie bewerten Eure Heiligkeit die Abartigkeiten des neuen Kapitalismus?«
    »Wunderbar. Ich rede grundsätzlich gerne über Obszönes.«
    »Was ist mit Zypern und Griechenland?«, fragte er weiter.
    »Was soll damit sein? Euro ist Krise, Zypern ist Krise, Griechenland ist Krise, Italien auch. Man sagt uns ständig, dass wir in einer Krise leben. Und wir fallen drauf rein. Wir haben Angst um unser Erspartes, nächste Krise. Ich denke, da wird systematisch übertrieben. Wir sind Europa, wir haben den Euro, wir erleben Fehler und Schwächen, wir müssen reparieren. Aber wir haben ja auch die Mutter aller Krisen, diese Merkel. Die wird es richten.«
    Dann lachten wir beide und ließen jede Diskussion sein.
    Nur einmal blies er eine gewaltige Qualmwolke in den langsam dunkler werdenden Himmel und murmelte: »Ich wette, Tante Liene wird uns alle schaffen.«
    Ich machte mich vom Acker und ließ Rodenstock mit seiner Montecristo allein. Es ist ein schönes Gefühl, miteinander schweigen zu können.

    Auf meinem Anrufbeantworter war die Staatsanwältin und murmelte: »Du scheinst eine geheime Geliebte zu haben. Ich werde das Weib brutal fertigmachen und dich langsam über Holzkohle grillen. Ruf mich doch mal an, bitte.«
    Also rief ich sie an, und im Hintergrund war ein Riesenlärm, ein grelles Lachen.
    »Ich bin es. Läuft da eine Orgie?«
    »So etwas Ähnliches. Stell dir vor, da sind zwei Mädchen vorbeigekommen, mit denen ich mal Abitur gemacht habe. Und jetzt sind wir längst über die Martinis hinaus.«
    »Das freut mich. Dann lass ich euch mal allein.«
    »Ich ruf dich morgen an, ja?«
    Ich hockte noch eine halbe Stunde auf meiner Terrasse und sah zu, wie die Nacht anbrach. Eine der wilden, grauen Scheunenkatzen aus dem Dorf lief durch meinen Garten und starrte mich erst sachlich und dann feindselig an, ehe sie um die Hausecke verschwand.
    Dann ging ich ins Büro und arbeitete eine Weile an einem Text, der ziemlich schwierig war, weil das Thema mich wütend machte. Es ging um die geradezu lächerlichen Renten einiger alter Bauersfrauen, deren Männer schon verstorben waren. War irgendjemandem klar, was es hieß, von 318 Euro im Monat zu leben?
    Gegen Mitternacht gab ich auf und verschwand ins Schlafzimmer. Ein wütender Journalist ist selten ein guter.
    Ich wachte früh auf, es war erst kurz nach sechs. Mein Heimatsender
SWR1
teilte mit, es sei nichts Besonderes zu vermelden, der geneigte Hörer könne bedenkenlos guter Laune sein. Das befolgte ich weitgehend, schrieb den Text über die Rentnerinnen ohne jede Schwierigkeit zu Ende und schickte ihn ab. Ich aß ein Stück trockenes Brot mit zwei Mandarinen und fühlte mich gut. Ich setzte mich in mein Auto und fuhr hinüber nach Heyroth.
    An der Stelle, an der links der erste Bauernhof lag, nahm ich die scharfe Kehre nach rechts in einen schmalen Wirtschaftsweg und fuhr am Ahbachtal entlang. Ich kann nicht einmal genau
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher