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Eifel-Connection

Titel: Eifel-Connection
Autoren: Jacques Berndorf
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blauen Strähnen auf der linken Kopfseite. Angepasst an die Kühle des Wetters trug sie einen schwarzen Rollkragenpullover, dazu blaue Jeans und schwere, hellbraune Wintertreter, geschnürt mit leuchtend roten Bändern. Sie hatte blanke, große, strahlende Augen und sie sah nicht älter aus als Anfang vierzig, wenngleich sie weit über die Fünfzig war.
    Ich goss ihr also einen Obstler von Liz Treis unten an der Mosel ein, holte ihr eine Scheibe Schwarzbrot und das Glas Wasser. »Was ist mit Rodenstock?«, fragte ich.
    »Er macht eine Therapie!«, stellte sie fest. Das kam wie ein Fanfarenstoß.
    »Heißt das, er hat nachgedacht?«
    »Ja, genau das. Aber er war fast soweit, sich umzubringen.« Dann setzte sie vorwurfsvoll hinzu: »Du warst fast vier Wochen nicht mehr da.«
    »Das ist richtig«, sagte ich. »Aber ich will mich von diesem Mann nicht mehr an die Wand quetschen lassen. Er ist mies drauf, benimmt sich unhöflich, bellt mich an, als hätte ich ihm was getan. Dein Mann ist unausstehlich, Emma, ein richtiges Ekel.«
    »Es ist so, dass er sechs Tage lang im Rollstuhl saß, nicht ins Bett ging, sich nicht wusch, einfach da hockte und die Elefantenpille anstarrte.«
    »Was, zum Teufel, ist eine Elefantenpille?«
    »Ein Medikament, mit dem Tierärzte einen Elefanten umlegen, wenn sie ihn gründlich untersuchen wollen.«
    »Woher hatte er die?«
    »Das weiß ich nicht.« Dann begann sie unvermittelt zu weinen. »Und er hat gesagt, ich brauchte mir keine Gedanken zu machen, das Zeug wirke sehr verlässlich. Er würde einfach ruckartig einschlafen und fertig.« Dann griff sie entschlossen zu dem Wasserglas mit dem Schnaps und trank ihn aus. »Also bin ich … also, ich bin durchgedreht. Ausgerastet. Aber richtig! Hast du noch einen?«
    »Mehrere«, nickte ich und goss ihr erneut ein.
    »Scheißschnaps«, sagte sie in dem Versuch, tapfer zu sein.
    »Wie bist du denn durchgedreht? Ich meine, was …?«
    »Na ja, ich habe seinen Rollstuhl genommen und ihn vor mir hergeschoben. So mit Schmackes, verstehst du? Ich habe geschrien, er könne mich sonst wo besuchen, und ähnliche Sachen. Ich habe die Haustür aufgemacht und ihn weitergeschoben, die Straße entlang. Bis zu der Kurve, du weißt schon.« Jetzt sah sie plötzlich zehn Jahre älter aus, sie war völlig erschöpft. »Und es regnete ja wie aus Eimern«, fuhr sie mit einer plötzlich veränderten Stimme fort, dumpf und hoffnungslos im Elend versunken.
    Dann schwieg sie. Sie weinte still vor sich hin, sie trank nicht mehr von dem Schnaps.
    »Wann war denn das?«
    »Heute Morgen. So gegen acht.«
    »Und?«
    »Na, ja…«
    »Emma, ich bin kein Profiler!«
    »Na, ja, er ist da in der Kurve im Wald runter …« Dann weinte sie nicht mehr, dann fing sie unvermittelt an zu lachen, kicherte etwas blöd vor sich hin und schüttelte dazu den Kopf, als könne sie sich selbst nicht fassen.
    »Gut, dein Ehemann ist also mit seinem Rollstuhl aus der Steilkurve in den Wald geflogen. Was hat er sich gebrochen?«
    Es dauerte ziemlich lange. »Nichts, aber …«
    »Emma, ich kann nicht herumraten, ich weiß nichts.«
    »Na ja, einer der Schulbusfahrer von Hens kam mit einem leeren Bus vorbei und muss an der Stelle ja langsam fahren…«
    »Und da hat er Rodenstock gesehen, und ihn aufgelesen.«
    Sie sah mich augenblicklich vorwurfsvoll an. »Das geht an der Stelle doch gar nicht, Rodenstock lag mit seinem Rollstuhl doch gut vierzig Meter im Wald runter.«
    Ich reagierte gar nicht, sie musste das erst einmal ordnen, und sie war sehr verwirrt.
    »Also, der Busfahrer hat nur die Reifenspuren vom Rollstuhl im Matsch gesehen, im Gras und so.«
    »Erzähl mir jetzt bloß nicht, dass er Rodenstock mit seinem Bus nachgefahren ist.«
    »Wie bitte?« Ihr Gesicht verkrampfte sich etwas. »Du bist unmöglich, Baumeister. Nein, der Busfahrer hat angehalten, ist ausgestiegen. Dann hat er nachgeguckt und Rodenstock gesehen. Der brabbelte irgendetwas, und das konnte der Busfahrer nicht verstehen. Jedenfalls hat er versucht, ihm zu helfen. Aber er konnte nichts machen, Rodenstock war zu schwer, und Rodenstock hat nur rumgemotzt, und der Rollstuhl lag noch zwanzig Meter weiter. Dann haben sie den Notarzt und das DRK gerufen. Rodenstock hat dauernd rumgebrüllt, bis der Arzt ihm einfach eine Beruhigungsspritze gesetzt hat. Dann haben sie ihn in die Psychiatrie nach Wittlich gefahren. Und da ist er jetzt und musste erst mal körperlich untersucht werden. Da komme ich gerade her. Also, ich bin hinter
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