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Eidernebel

Eidernebel

Titel: Eidernebel
Autoren: Wimmer Wilkenloh
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er Gespräche aus verdächtigen Autos auf. An den Zapfsäulen gab es auch Kameras, die er per Fernauslöser bedienen konnte, um Großaufnahmen von einem Überwachten machen zu können. Er sollte die Fahrzeuge aufspüren, in denen Ostdeutsche über die Grenze geschmuggelt wurden. Damals hielt er alle Menschenschmuggler für Kriminelle, schließlich hatte er das von klein auf in der Kinderkrippe gelernt. Er vertrat hier das Gesetz, nicht den Sozialismus. Ideologien waren schon damals nicht seine Sache.
     
    Jetzt sind die 15 Minuten fast um!
    Weit und breit ist kein Martinshorn zu hören. Für den Moment fühlt er sich sicher.
    Der nächste Schritt steht an!
    Der Mann streift die Latexhandschuhe über, setzt die Sichtbrille wieder auf und drückt mit äußerster Vorsicht, im Zeitlupentempo, die Tür weit auf.
    Langsame Bewegungen nehmen die meisten Bewegungsmelder nicht wahr!
    Er nimmt den Funkwellendetektor aus der Tasche und schaltet ihn ein. Das Gerät zeigt nichts an, er kann sich endlich normal bewegen.
    Tür abschließen. Hier drinnen ist er erst mal sicher!
    Die Büroräume sind verhältnismäßig groß. Im Eingangsbereich ein breiter Empfangstresen mit Telefonanlage, Computer und Faxgerät. Direkt gegenüber eine kleine Teeküche und drei Toiletten. Am Ende des Flures eine Art Konferenzraum mit breiter Fensterfront. Darin ein Diaprojektor, eine Leinwand und sechs Stühle um einen massiven, rechteckigen Tisch. Daneben das Büro vom Chef, ›Von der Heide‹ steht auf einem kleinen Messingschildchen. Konzentriert inspiziert er den Rest der Räumlichkeiten. Auf dem Schreibtisch ein DeTeWe.
    Das dürfte schon bessere Zeiten gesehen haben!
    Damit kennt er sich immerhin gut aus, also kein Problem für seine Telefonwanze. Die Schaltknöpfe und Lämpchen des Geräts benötigen fünf Volt Gleichstrom, er kann auf die Akkuwanze verzichten. Hinter der Metallmanschette des Deckenstrahlers verschwindet ein Minisender mit Rundum-Mikro. Neben dem mächtigen Aktenschrank steht ein Kopierer, an der Decke darüber hängt eine Klimaanlage, deren Metallschacht nach draußen führen dürfte. Er klopft die Wand mit einem Schraubenzieher ab, der Schacht geht nach links. Der ideale Platz für eine Linse in einem Glasfaserstrang. Von hier aus hat er den Aktenschrank im Blick. Wenn es darauf ankommt weiß er sofort, aus welcher Akte ein wichtiges Schriftstück verschwinden muss. In den Schacht lassen sich auch gleich der Sender und die Antenne einbauen. Danach kommt der Empfang an die Reihe und den Konferenzraum sollte er aus Sicherheitsgründen nicht auslassen. Ein Glück, dass er dafür genügend Zeit zur Verfügung hat.
     
    *
     
    Wenn ich die nächsten Stunden überleben sollte, wird mein Herz dann wirklich mein eigenes sein, überlegt Lisa Blau. Wird es der gleiche Herzschlag sein, oder wird er für immer etwas Fremdes bleiben, etwas ewig Unbekanntes, das zwar für mich schlägt, mich am Leben hält, sonst aber nicht das Geringste mehr mit mir zu tun hat?
    »Liebe Frau Blau!« klingen ihr die beruhigenden Worte von Professor Rollesch in den Ohren nach. Der Chefarzt des Transplantationszentrums des Uniklinikums in Kiel hatte ihre rechte Hand zwischen seine Hände genommen. »Wir sollten uns keine unnötigen Sorgen machen. Eine Herztransplantation gehört heute gewissermaßen zum Standardprogramm einer guten Herz- und Gefäßchirurgie. Stellen Sie sich doch einfach eine Pumpe vor, die nicht mehr ausreichend Wasser fördert. Ihr Herz ist momentan so eine Pumpe. Sie pumpt nicht genügend Blut, damit Sie gut versorgt sind. Die neue Pumpe wird diesen Defekt beseitigen. Danach kann Ihr Leben wieder ganz normal weitergehen.«
    Lisa Blaus Finger krallen sich in die Bettdecke, während sie durch endlose Gänge geschoben wird. Den Blick an die Decke gerichtet, schweben kleine Sonnen über sie hinweg, unterbrochen vom surrenden Geräusch der elektronischen Flügeltüren. Dann kommt die Fahrt ins Stocken.
    »Wir müssen einen kurzen Moment warten bis die Schleuse zum OP frei wird«, erklärt eine unbekannte Stimme.
    Lisa Blau bemerkt, dass sie unwillkürlich ihre Schultern anspannt. Ihr Atmen wird gehetzt, verfolgt von einer Angst, es könne ihr noch kurz vor dem entscheidenden Moment die Luft wegbleiben. Vor ihrem inneren Auge rauschen Bilder wie im Zeitraffer durch ihr Bewusstsein.
     
    Sie kann ihre Ausgelassenheit spüren. Es ist der 4. September 1997, der Abend ihres größten Triumphes. Harald Lehmann und sie haben mit einem hauchdünnen
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