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Ehrenwort

Titel: Ehrenwort
Autoren: Ingrid Noll
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geplant werde.
    Diese Neuigkeit schlug ein wie eine Bombe. Harald sprang auf, lief vor der Hütte auf und ab, brüllte abwechselnd: »Unerhört!«, oder: »Nicht zu fassen!«, später auch etwas leiser: »Wieder mal typisch für meinen Vater, dass ich erst gar nicht gefragt werde!«
    Nachdem er sich eine Weile ausgetobt hatte, griff er zum Cognac, trank zu viel und zu schnell. Max begutachtete den Zustand seines Vaters mit Kennerblick und schielte dabei bisweilen auf die Uhr.
    Harald hatte sich schließlich in einem der Stockbetten im Schlafzimmer zur Ruhe begeben, sein Sohn hatte es vorgezogen, in der Essecke einen Schlafsack auszubreiten; von der Mutter wusste er, dass sein Vater nach reichlichem Alkoholkonsum zu schnarchen pflegte. Nun lag Max etwas unbequem auf dem harten Holz der Sitzbank und dachte sehnsüchtig an Jenny.

    Inzwischen beobachtete Falko die Festung Knobel. Die Lichter waren in allen Räumen längst ausgegangen, die Haustür war von innen verriegelt. Auch die Balkontür im oberen Stockwerk schien nicht offen zu stehen. Falko erinnerte sich an den Satz seines Lehrmeisters: Wenn ein Profi irgendwo reinkommen will, dann schafft er das immer. Außerdem hatte er den Akkubohrer dabei, eine überaus segensreiche Erfindung. Im Vergleich zu früher, wo man die Scheiben noch mühselig mit einem Brecheisen einschlagen und mit Klebefolie sichern musste, war ein Einbruch heutzutage - ohne zersplitterndes, klirrendes, scharfzackiges Glas - sehr viel komfortabler geworden.
    Die Verriegelung der Terrassentür bestand nur aus zwei kleinen Rollzapfen, die im Holzrahmen in U-förmige Lücken griffen. Der Hausbesitzer war Architekt oder Ingenieur oder etwas Ahnliches, warum hatte er keine Zapfen mit Pilzköpfen einbauen lassen? Falko verstand manchmal nicht, wie leichtsinnig die Menschen mit ihrem Hab und Gut umgingen. Ohne Kraftakt konnte er die Zapfen über den Rand der Aussparung drehen, und schon zwei Minuten später stand er auf dem roten Teppich des Wohnzimmers.
    Wenn er Max und Jenny auf den Kopf zusagte, dass er wüsste, wer Pit Bull getötet habe, würden sie mit Sicherheit alles Geld zusammenkratzen, was im elterlichen Haus deponiert war, damit er das Maul hielt. Auch in den kommenden Jahren könnte er sie nach Belieben erpressen. Mit zwei nackigen Turteltäubchen wurde er dreimal fertig.
    Wenn es nicht anders ginge, würde er Jenny mitnehmen. Eine Geisel konnte sehr nützlich sein, falls die halbe Portion, dieser Milchbubi, nicht genug Kröten herausrücken wollte.
    Vorsichtig schlich Falko die Treppe hinunter und fand auf Anhieb das bewusste Zimmer. Er plante eine totale Überrumpelung, trat also die Tür auf und fand sofort den Schalter für das Deckenlicht. Auf den ersten Blick sah er nur ein paar blonde Haare auf dem Kopfkissen, wahrscheinlich hatten sich die beiden das Federbett über die Ohren gezogen. Falko zögerte nicht, mit einem Ruck die Steppdecke herunterzureißen.
    Jenny fuhr hoch und starrte ihn verstört an. Was war das für ein Alptraum? Sie öffnete den Mund, wollte schreien, bekam jedoch keinen Ton heraus. Bevor sie es ein weiteres Mal versuchen konnte, hielt Falko ihr schon den Mund zu.
    »Wo ist dein Macker?«, fragte er und vergaß, dass sie gar nicht antworten konnte.
    »Ihr habt Pit Bull umgebracht«, setzte er nach. »Wenn ihr wollt, dass ich euch nicht verpfeife, möchte ich heute noch fünf Riesen sehen!«
    Sie zuckte mit den Gesichtsmuskeln und wollte etwas entgegnen. Falko sah ein, dass er ihren Mund wieder freigeben musste, dafür hielt er sie jetzt an den Armen fest.
    »Du Idiot, du weißt genau, dass ich schlecht bei Kasse bin. Außerdem habe ich Pit Bull seit Jahren nicht gesehen«, zischte sie.
    »Bist du allein im Haus?«, fragte er. Jenny schüttelte den Kopf.
    »Max ist auf dem Klo«, behauptete sie, »außerdem schlafen seine Eltern und der Großvater im ersten Stock. Du hast keine Chance, sie werden dich hören und die Polizei rufen.«
    »Du lügst ja wie gedruckt! Der Mercedes ist weg, der Ingenieur und seine rothaarige Schlampe sind fortgefahren«, sagte Falko. »Und deinen Max werde ich mir jetzt schnappen.«
    Bevor er auf die Suche ging, musste er allerdings dafür sorgen, dass Jenny nicht abhaute. Falko kniete sich auf ihre Beine, packte ihre Handgelenke, zog die Rolle Paketband aus der Hosentasche und wollte sie fesseln. Sie wehrte sich heftig, schrie los, so laut es eben ging, und hoffte, Petra würde wach.
    Es war unmöglich für Falko, sie gleichzeitig zu
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