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Ehrenwort

Titel: Ehrenwort
Autoren: Ingrid Noll
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davon. Im menschenleeren Industriegebiet entdeckte er ein einsames Cabrio, dessen Verdeck er mit dem Teppichmesser aufschlitzte. Routinemäßig hatte er eine Rolle Klebeband, einen Akkubohrer, ein paar Werkzeuge, einen Bund mit Dietrichen und eine Taschenlampe bei sich. Es war keine große Kunst, aus der Mittelkonsole des Cabrios ein CD-Radio, ein Klimasteuergerät und einen Bordcomputer auszubauen. Gut, dass er einen Rucksack dabeihatte. Gelegenheit macht Diebe, dachte er und wurde gleich ein wenig fröhlicher. Morgen würde er alles seinem Hehler Bobo anbieten und sicher ein paar Scheinchen dafür kriegen.
    Um sich abzureagieren, suchte Falko, schon auf dem Weg zu Knobels, eine Kneipe auf und bestellte ein Bier sowie einen Klaren. Und dabei blieb es nicht. Als er sich später torkelig erhob, weil der Wirt dichtmachen wollte, sagte die Kellnerin: »Sie sollten sich nicht mehr in Ihren Wagen setzen! Wenn's recht ist, werde ich Ihnen eine Taxe rufen.«
    »Hab' gar kein Auto«, sagte Falko und schwankte davon.

    Der dicke Mercedes des Vaters stand nicht vor der Tür, jedoch der Wagen von Max; anscheinend waren die Eltern übers Wochenende weggefahren. Langsam umkreiste Falko den Block und entdeckte dabei in der benachbarten Straße den Firmenwagen des Pflegedienstes. Das war doch kein Zufall! Schließlich konnte er eins und eins und manchmal auch zwei und zwei zusammenzählen. Jenny übernachtete also bei diesem milchbärtigen Muttersöhnchen, weil außer dem alten Penner kein Mensch zu Hause war. Damit ergab sich die einmalige Gelegenheit, zwei Fliegen mit einer Klatsche zu erledigen.

25

    Max hatte sich ein wenig vor dem Wochenende am See gefürchtet, aber er wollte es mit seinen Eltern nicht völlig verderben. Er ahnte, dass sein Vater ihn nicht in Ruhe lassen würde, und hörte förmlich: »Junge, wir meinen es doch nur gut mit dir«, oder: »So kann es nicht weitergehen«, bis hin zu: »Hast du denn gar kein Vertrauen zu mir?«
    So ähnlich hatte es Harald tatsächlich geplant. Aber natürlich wollte er seinen Sohn nicht gleich in der ersten Stunde bedrängen. Also übersah er geflissentlich die unhygienischen, ja schädlichen Flipflops seines Sohnes und sprach auf der Fahrt bloß über die bevorstehenden Anglerfreuden. Dieses Thema langweilte Max zwar fast zu Tode, doch da es lange her war, dass Vater und Sohn etwas gemeinsam unternommen hatten, fühlte er sich auch ein wenig geschmeichelt - und geliebt.
    Sie hatten kein Glück beim Fischen, zum Essen konnte kein Zander gebraten werden. Aber Harald hatte in kluger Voraussicht einen Korb mit Lebensmitteln mitgebracht und begann sogar zu kochen. Zu Hause war das noch nie vorgekommen, doch das heutige Ergebnis war nicht direkt schlecht. Max, der es eigentlich besser konnte, durfte nur Handlangerarbeiten verrichten und zum Schluss in einer versifften Steingut-Spüle abwaschen.
    »Warum hat dein Freund sich seine Datsche nicht ein bisschen gemütlicher eingerichtet?«, fragte er.
    »Kommt noch«, antwortete Harald, »Jürgen hat die Hütte erst kürzlich mitsamt Inventar gekauft. Aber warte nur! In einem Jahr sieht es hier ganz anders aus!«
    »Dank eurer Tiefgarage«, spottete Max und erntete einen finsteren Blick seines Vaters. Danach hätte er sich am liebsten in einer Ecke verkrochen, aber irgendwann musste es natürlich ernst werden. Das gefürchtete Männergespräch begann.
    »Junge, ich weiß, dass du Probleme hast. Aber wenn du nicht mit uns redest, können wir dir auch nicht helfen«, begann sein Vater die Sitzung.
    Schon im Vorfeld hatte sich Max eine Taktik zurechtgelegt: Er wollte dem Vater ein paar mundgerechte Brocken hinwerfen und ihn damit von weiteren, viel unangenehmeren Themen ablenken. Hauptsache, er wurde nicht auf das abgebrochene Studium angesprochen.
    Also beichtete Max seine heimliche Liebschaff mit Jenny, wofür sein Vater erstaunlich viel Verständnis aufbrachte.
    »Mama kann sie nicht leiden«, klagte Max, um an die väterliche Solidarität zu appellieren. Harald reagierte wie erwartet und versprach sofort, bei Petra ein gutes Wort einzulegen.
    Nach etwa einer Stunde war dieser Punkt abgehakt und drei Flaschen Bier waren leer. Max schwante, dass Harald sich noch nicht zufriedengeben würde. Bevor es jedoch ans Eingemachte ging, entschloss er sich, einen fetteren Köder auszulegen. Er berichtete mit heiserer Stimme, dass der Alte ihm sein Haus überschrieben habe, die Schenkung schon notariell beglaubigt sei und jetzt bereits der Umzug
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