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Egorepublik Deutschland: Wie uns die Totengräber Europas in den Abgrund reißen (German Edition)

Egorepublik Deutschland: Wie uns die Totengräber Europas in den Abgrund reißen (German Edition)

Titel: Egorepublik Deutschland: Wie uns die Totengräber Europas in den Abgrund reißen (German Edition)
Autoren: Edzard Reuter
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hüben wie drüben Missverständnisse oder gar ein unterschwelliges Misstrauen. Churchill selbst lebte wohl noch bis zu seiner Abwahl als Regierungschef im Sommer 1945 in der trügerischen Annahme, dass sein durch den Krieg politisch wie wirtschaftlich schwer geschädigtes Land künftig weiterhin die Rolle einer Weltmacht spielen könne. Der amerikanische Präsident, von der überlegenen Stärke der republikanischen Idee überzeugt, machte sich hingegen Sorgen wegen der persönlichen Vorliebe seines britischen Partners für eher royalistisch geprägte Demokratien – und hielt nicht das Geringste von der Möglichkeit, dass ein durch den General de Gaulle geführtes Frankreich sich als europäische Führungsmacht aufspielen könnte …
    Als noch ungleich komplexer sollte sich das Problem erweisen, als selbst den bisher gutgläubigsten westlichen Politikern endlich klar wurde, dass die grundlegend abweichende Interessenlage der sowjetischen Seite mit ins Kalkül gezogen werden musste. Tag um Tag wurde deutlicher, dass der sowjetische Diktator Josef Stalin im Unterschied zu seinen amerikanischen und britischen Verbündeten genau wusste, was er wollte: Er würde von dem durch seinen Streitkräfte eroberten Teil Europas freiwillig keinen Millimeter wieder hergeben, sondern ganz im Gegenteil versuchen, mithilfe politischer Umwälzungen noch möglichst viele der übrigen Staaten dem sowjetischen Imperium einzuverleiben.
    Tatsächlich waren es auf der westlichen Seite de Gaulle und Monnet, die sich – angesichts des bevorstehenden Zusammenbruchs von Deutschland und Italien als den beiden anderen früher mächtigen Staaten – berufen fühlten, Leitlinien für die künftige Gestaltung zumindest des westeuropäischen Kontinents zu entwickeln. Für Jean Monnet standen dabei wirtschaftspolitische Notwendigkeiten im Vordergrund. Schon früh schwebte ihm die Errichtung einer Freihandelszone mehrerer gleichberechtigter Staaten (unter Einschluss eines möglicherweise auf mehrere autarke Regionen aufgeteilten Deutschland) vor, mit den an Rhein, Ruhr und Saar sowie in Lothringen gelegenen Gebieten der europäischen Kohleförderung und Stahlindustrie als Kern. Aus der Sicht des Generals überragte hingegen die Sicherung einer politischen Vorrangstellung Frankreichs alles andere, sodass er eher an eine Wirtschaftsgemeinschaft mit den drei Benelux-Ländern und einem von Deutschland abgetrennten Rheinland dachte (womöglich auch noch mit Italien, Spanien und der Schweiz als weiteren Mitgliedern). Für Großbritannien war freilich weder bei dem einen noch bei dem anderen ein Platz als zentraler Mitspieler vorgesehen.
    Es würde sich hier nicht lohnen, auf die vielen Einzelheiten einzugehen, die in der ersten Nachkriegszeit die innenpolitische Entwicklung in Frankreich prägten. Jedenfalls standen die Auseinandersetzungen über die Gestaltung des wirtschaftlichen Wiederaufbaus sowie die dafür erforderlichen organisatorischen Voraussetzungen immer wieder im Mittelpunkt. Anders als später im befreiten Teil Deutschlands ging es allerdings weniger um nennenswerte weltanschauliche Differenzen zwischen den Anhängern einer marktwirtschaftlichen Ordnung und den Protagonisten einer staatlich gelenkten Wirtschaft: Vor dem Hintergrund der uralten französischen Traditionen kam niemand ernsthaft auf Idee, grundsätzlich anzuzweifeln, dass dem Staat auch zukünftig eine entscheidende Rolle zukommen müsse. Daran zweifelte auch Jean Monnet nicht, der – nach dem Anfang 1946 verkündeten Rücktritt des Generals de Gaulle als Regierungschef (der offensichtlich beleidigt war, weil die Parteien seiner Regierungskoalition nicht bereit waren, sich diskussionslos seinen politischen Vorstellungen zu beugen) – an die Spitze einer staatlichen Kommission berufen wurde, die einen Plan für den wirtschaftlichen Wiederaufbau erarbeiten sollte.
    Zunächst einmal mussten die vorhandenen finanziellen Spielräume geklärt werden. Verantwortlich dafür war Robert Schuman als Finanzminister der neuen Regierung. Schuman und Monnet: Zum ersten Mal fand sich jetzt das Gespann zusammen, das wenige Jahre später zur entscheidenden Triebquelle für die Gründung der europäischen Kohle- und Stahlgemeinschaft, der sogenannten »Montanunion«, werden sollte – und damit, zumindest indirekt, auch zu den Gründervätern der später folgenden Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) als Vorläuferin der heutigen Europäischen Union.
    Wie zu erwarten, stellte sich bald
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