Egorepublik Deutschland: Wie uns die Totengräber Europas in den Abgrund reißen (German Edition)
Situation auf der Hand, die heutzutage für die europäische Vereinigung gilt. Das künftige Schicksal des Euro – und, untrennbar davon, die Zukunft der Europäischen Union – steht täglich an vorderster Stelle auf der Tagesordnung. Dabei ist längst klar, dass zur Lösung des Problems zwar weiterhin kleine Schritte unvermeidlich sein werden. Sie werden jedoch nur noch dann erfolgreich sein können, wenn es den Partnern gelingt, sich auf ein umfassendes Ziel zu einigen, das sie gemeinsam erreichen wollen. Sonst ist das Projekt der europäischen Vereinigung am Ende. Das Teilgebiet, auf das sich der Schuman-Plan beschränkte, die Kohle- und Stahlerzeugung, interessierte hingegen gerade einmal die unmittelbar Beteiligten. Die politischen Folgen, die Jean Monnet anstrebte, waren allerdings die gleichen, um die es bis heute geht …
Umso mehr muss es im Rückblick als politisches Wunder erscheinen, dass das Vorhaben damals gelang. Seine Erklärung findet das Mysterium darin, dass es ohne langwierige öffentliche Diskussion mit einem wahrhaften Paukenschlag in die Welt gesetzt und anschließend zügig realisiert wurde. Dabei war die Idee als solche alles andere als neu: Schon seit dem Ende des Ersten Weltkriegs war wiederholt angeregt worden, die Gewinnung der für die französische wie für die deutsche Industrie lebenswichtigen Rohstoffe Kohle und Stahl in irgendeiner Form zusammenzulegen und damit künftige militärische Auseinandersetzungen im Keim zu ersticken. Was Monnet mit dem Schuman-Plan bezweckte, war trotzdem ein Schritt, von dem sich zum damaligen Zeitpunkt, so kurz nach der deutschen Niederlage, kaum jemand ernsthaft vorstellen konnte, dass er in Frankreich politisch durchsetzbar wäre. Es handelte sich nämlich um die Übertragung der staatlichen Entscheidungshoheit über die Produktion und den Handel der beiden Grundstoffe auf eine überstaatliche Behörde – also einen freiwilligen Verzicht auf Teile der nationalen französischen Souveränität.
Als besonders schwerwiegende Nebenfolge kam hinzu, dass dieser Weg in seinem Kern auf eine grundlegende Wende in der politischen Ausrichtung Frankreichs hinauslief. Das Land verabschiedete sich damit von allen früheren Hegemonieträumen in Europa, genauso wie von der traditionellen Strategie eines engen Gleichklangs mit Großbritannien, einer »Entente Cordiale«. An deren Stelle trat nun die Öffnung für die bewusste Bindung an kontinentale Partner, in erster Linie gar zu einer unauflöslichen Partnerschaft mit Deutschland.
Die Grundzüge des Schuman-Plans, die mit Bundeskanzler Adenauer abgestimmt waren, wurden im Mai 1950 bekannt gegeben. Italien und die drei Benelux-Staaten, Belgien, die Niederlande und Luxemburg, erklärten alsbald ihr Interesse, sich an dem Projekt zu beteiligen. Monnet wurde von der französischen Seite mit der Verhandlungsführung beauftragt – und bald von den anderen Partnern als ehrlicher Makler anerkannt. Tatsächlich gelang es ihm, die komplizierten Abstimmungsgespräche bis zum Jahresende abzuschließen. Die Unterzeichnung der Verträge zog sich noch bis zum folgenden April hin, weil auf deutscher Seite die Entflechtung der traditionellen Wirtschaftskartelle erst auf Druck von amerikanischer Seite zustande kam (abgesehen davon, dass nach dem inzwischen stattgefundenen Volksentscheid auch noch die politische Zugehörigkeit des Saarlands zur Bundesrepublik Deutschland endgültig vereinbart werden musste). Die Ratifizierung durch die sechs Parlamente nahm ein weiteres gutes Jahr in Anspruch. Doch dann war der erste und entscheidende Schritt zur friedlichen und demokratischen Vereinigung Europas endgültig getan. Er schrieb fest, dass das künftige Europa mehr sein sollte als nur die Summe seiner Staaten und Nationen – und dass es zu diesem Zweck eine (wenn auch zunächst nicht direkt gewählte, sondern durch die Parlamente der Mitgliedsländer entsandte) Volksvertretung, einen Ministerrat und eine Hohe Behörde für Kohle und Stahl geben würde. Ihr erster Präsident: Jean Monnet.
Die folgenden Jahrzehnte waren durch ständig neue Versuche gekennzeichnet, in die gleiche Richtung weiter voranzukommen. Eine kaum noch überschaubare Zahl von Geschichtsstudien schildert, warum sie allenfalls kleine Fortschritte gebracht haben oder gar vollständig gescheitert sind. Nicht zuletzt zählt dazu der 1952 auf französische Initiative unternommene Versuch, die Streitkräfte in einer sogenannten »Europäischen
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