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Egeland, Tom

Titel: Egeland, Tom
Autoren: Frevel
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Bewegung.
    Aber Herr Be l tø, was hatten Sie denn im Büro des Professors zu tun? Und was haben Sie da unter dem Arm?
    Meine Schritte hallen an den Wänden wider. Ebenso das Pochen meines Herzens. Ich sehe mich um.
    Herr Be l tø? Wohin wollen Sie mit dem Artefakt? Haben Sie den Professor bestohlen?
    Ich ringe nach Atem, versuche, so schnell wie möglich zu gehen, ohne zu rennen.
    Halten Sie an! Bleiben Sie augenblicklich stehen!
    Am Ziel! Die Stimmen klingeln in meinem Kopf. Ich drücke meine eigene Bürotür auf und gehe eilig hinein. Lehne mich keuchend gegen die Tür.
    Vorsichtig ziehe ich den Schrein aus der Tasche und nehme die Plastik-und Leintuchhülle ab. Meine Hände zittern.
    Der Schrein ist überraschend schwer. Zwei brüchige Bänder halten das rötliche, vermoderte Holz zusammen. Es ist stark verwittert. Durch die Spalten kann man erkennen, was darin ist. Ein weiterer Schrein.
    Ich bin kein Metallexperte, aber trotzdem muss ich den Schrein nicht erst ins Labor bringen, um zu erkennen, woraus der innere Schrein gemacht worden ist. Gold.
    Selbst nach Jahrhunderten schimmert es warm und golden.
    Ich spüre etwas Unabwendbares.
    Durch das schmutzige Fenster starre ich auf die Straße und warte darauf, dass sich mein Herz beruhigt.
    6
    VOR ZWEI JAHREN habe ich sechs Monate in einer Nervenklinik verbracht.
    Ich hatte Glück und kam in die gleiche Abteilung, in der ich zuvor an einer Gruppentherapie teilgenommen hatte. Die Zeit hatte stillgestanden. Das Muster des Linoleums war wie eh und je. Die Wände waren noch immer schmutzig grün und nackt. Die Geräusche und Gerüche die gleichen. Martin saß strickend in seinem Schaukelstuhl. Seit achtzehn Jahren strickte er an dem gleichen Schal. Er bewahrte die erschreckend lange Krea tion in einem hohen Bastkorb mit Deckel auf. Martin nickte mir zu, als wäre ich nur einmal kurz zum Kiosk gegangen. Wir hatten nie miteinander gesprochen. Trotzdem erkannte er mich als eine Art Freund wieder.
    Nicht einmal Mama wusste etwas von der Einweisung. Sie macht sich so schnell Sorgen. Mama gegenüber sagte ich, ich würde an einer Ausgrabung in Ägypten teilnehmen.
    In einen DIN-A4-Umschlag, den ich an die Hauptpost in Kairo schickte, steckte ich einen Stapel mit s e chs adressierten Briefen. Und einen Hilferuf. Ich kann kein Arabisch. Deshalb legte ich einen Zwanzig-Dollar-Schein dazu. The universal language. Ein freundlicher Angestellter hat alles verstanden. Er frankierte die Briefe und schickte sie an Mama. Abgestempelt in Kairo, Ägypten. Richtig schlau. Wie in einem Krimi. Ich hatte mir vorgestellt, er würde jeden Monat einen Brief senden. Ich hielt das für einleuchtend, weswegen ich den Namen des jeweiligen Monats oben rechts in die Ecke geschrieben hatte. Stattdessen schickte er alle Briefe gleichzeitig. Dieser Idiot. Die ausgedachten Geschehnisse von sechs Monaten –großartige archäologische Funde, Romanzen mit ägyptischen Bauchtänzerinnen, Wüstenexpeditionen bei Sandstürmen auf windschiefen Kamelen –, zusammengestaucht in eine Woche. Es sagt einiges über meine Fantasie und Mamas Gutgläubigkeit, dass es mir gelang, das Ganze später zu erklären. Sie kann nicht ganz nüchtern gewesen sein.
    Die Therapie half mir wieder auf die Beine. Ein Krankenhaus hat seine Routinen. Für mich waren das die Aufhänger, an denen ich mein Dasein fixieren konnte.
    Diese Krankheit hatte nichts Exotisches. Keine amüsanten Napoleon-Fantasien. Keine Stimmen im Kopf. Nur ein Dasein in rabenschwarzem Dunkel.
    Jetzt geht es mir besser.
    7
    VERSCHRECKT JAGE ICH durch Oslos Straßen. Ein friedloser Sonnenuntergang. Delta Foxtrott 3-0, der Verdächtige fährt in einem Citroën 2 CV und ist augenblicklich festzunehmen. Eine Zeit lang nimmt ein Toyota meinen Rückspiegel ein. Als er endlich abbiegt, seufze ich vor Erleichterung. Der Verdächtige hat einen wertvollen goldenen Schrein gestohlen. Die Person gilt als gefährlich, wenn sie in die Ecke gedrängt wird. Ich fahre am St. Hanshaugen vorbei und bleibe hinter einem Kleinbus hängen, der auffallend langsam fährt. Unablässig blicke ich in den Rückspiegel, während ich die Schatten im Kleinbus beobachte. Man kann nie wissen. Mit heiler Haut erreiche ich die Umgehungsstraße. Kein Schuss hat sich gelöst. Vorläufig.
    Schließlich erblicke ich die Reihe der Hochhäuser, in denen ich wohne. Sie sind nicht gerade sonderlich anziehend, doch ihr Anblick erfüllt mich mit Wärme. So war das immer mit meinem Zuhause.
    ∗ ∗ ∗
    I
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