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Edgar und die Schattenkatzen (German Edition)

Edgar und die Schattenkatzen (German Edition)

Titel: Edgar und die Schattenkatzen (German Edition)
Autoren: Marliese Arold
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sich. Die Augen fielen ihm von selbst zu und er begann zu träumen.
     
    Er lag auf Emmas Schoß, und sie streichelte ihn mit ihren krummen Fingern. Im Ofen prasselte ein Feuer, es war gemütlich warm.
    Emma seufzte. »Hoffentlich gibt es in diesem Jahr keinen zu langen Winter«, sagte sie und kraulte ihn zwischen den Ohren. Edgar schnurrte vor Behagen. »Das Holz ist so teuer geworden, ich kann es mir kaum leisten. Ich mag gar nicht ausrechnen, wie lange mein Geld reicht. Aber das interessiert dich ja alles nicht, kleiner Kater. Hör nicht auf mich, es ist auch nur das Geschwätz einer alten Frau.« Sie machte Anstalten aufzustehen und Edgar sprang von ihrem Schoß. Schwerfällig schlurfte Emma ans Fenster, um die Vorhänge zuzuziehen. Sie hielt in der Bewegung inne und starrte durch die Fensterscheibe in das nächtliche London. Der gelbe Schein der Gaslaternen spiegelte sich in den Scheiben. »Manchmal glaube ich, dass dies mein letzter Winter sein könnte, Edgarchen … Was wirst du dann ohne mich machen?«
    Edgar sprang aufs Fensterbrett und maunzte.
    Emmas Hand fuhr durch sein Fell.
    »Aber du wirst schon jemanden finden, der dich aufnimmt und pflegt, nicht wahr, mein Schätzchen? Jedenfalls bist du mein Sonnenschein, auch wenn du so schwarz bist wie die Nacht. Du machst meine Tage ein bisschen heller, und ich ertrage die Einsamkeit besser …«
    Sie öffnete einen Fensterflügel, und ein Schwall kalter Luft drang herein.
    Edgar sprang auf den Boden, wo ihn der kalte Luftzug nicht erreichte. Emma steckte ihren grauhaarigen Kopf ins Freie und lauschte.
    »Hast du das eben gehört, Eddy? Das war der Schrei einen Käuzchens. Ein Totenvogel. Er kommt, um sich die Seele eines Sterbenden zu holen. So heißt es jedenfalls. Wenn du mich fragst, ist das nichts weiter als ein dummer Aberglaube.« Sie schloss das Fenster wieder und kehrte zu ihrem Sessel zurück, nachdem sie sich eine Tasse Tee eingeschenkt hatte. Dann warf sie Edgar ein Wollknäuel zum Spielen zu.
    Die Holzscheite im Ofen knackten, während der Kater versuchte, das widerspenstige Knäuel zu fangen. Immer wieder rollte es davon, und er verhedderte sich in den Fäden.
    Emma, die ihm zuschaute, lachte glucksend.
    »Oh Edgar, du bist wirklich ein Tollpatsch!«
     
    »Du bist wirklich ein Tollpatsch!«
    Emmas Stimme hallte noch in Edgars Ohren nach, als er erwachte. Es war dämmrig geworden, und Nebel stieg vom Boden auf, sodass er die anderen Bäume gar nicht mehr sehen konnte. Die Welt um ihn herum wirkte sehr fremd. Als ein großer schwarzer Vogel krächzend ein Stück über seinem Kopf landete, zuckte er zusammen und stieß versehentlich an Algernon.
    Der Straßenkater grunzte und öffnete träge ein Auge. »Ach Ed«, seufzte er. »Du bist ja noch immer da. Ich habe geträumt, dass ich dich losgeworden bin. Was für ein schöner Traum!«
    Edgar setzte sich kerzengerade hin. »Es tut mir leid, dass ich dir so lästig bin«, antwortete er gekränkt. »Ich verstehe gut, dass du lieber allein sein willst.«
    »Unsinn, Edgar, du verstehst gar nichts«, murmelte Algernon und versetzte Edgar einen kumpelhaften Pfotenstoß. »Am wenigsten verstehst du Spaß. Hallo, ich habe einen Scherz gemacht! Jetzt hör auf, die beleidigte Leberwurst zu spielen, das passt nicht zu dir.« Er streckte sich, stand auf und drehte den Kopf nach allen Seiten. »Es wird dunkel. Zeit für uns aufzubrechen. Komm!«
    Er verließ die Kuhle, sprang geschickt auf den Ast weiter unten und ließ sich von dort auf den Boden fallen.
    Edgar versuchte, es ihm nachzumachen, doch als er auf dem Ast saß und nach unten blickte, kam ihm der Abstand zum Rasen schrecklich groß vor.
    »Worauf wartest du noch, Ed?«, rief Algernon.
    »Es … es ist so hoch«, jammerte Edgar. »Da komme ich niemals runter.«
    »Ach was. Es ist ganz einfach. Spring!«
    Edgar nahm all seinen Mut zusammen, schob den Kopf vor und versuchte die Entfernung zu schätzen. Wie hart würde der Aufprall sein? Würden seine Glieder den Sprung gut abfedern können?
    »Überleg nicht so lange, sondern spring!«, drängte Algernon.
    Edgar traute sich nicht. Er tänzelte auf dem Ast hin und her, aber es gab keine andere Möglichkeit, nach unten zu gelangen.
    »Du kannst natürlich auch bis übermorgen auf dem Baum sitzen bleiben«, spottete Algernon. »Aber ich sage dir jetzt schon, dass das ziemlich langweilig sein wird. Und auch wenn du lange wartest – Flügel wachsen dir trotzdem nicht. Also Eddy, reiß dich zusammen und
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