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Edgar und die Schattenkatzen (German Edition)

Edgar und die Schattenkatzen (German Edition)

Titel: Edgar und die Schattenkatzen (German Edition)
Autoren: Marliese Arold
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aufgestellt, der breit und buschig erschien.
    Warum haut er nicht ab?, dachte Edgar. Er hat doch nicht die geringste Chance gegen das Ungeheuer. Ein Kampf wäre Wahnsinn! Das Monster wird ihn mit einem einzigen Biss töten!
    Algernon fauchte laut. Es klang, als wollte er mit diesem Laut auf sich aufmerksam machen und die riesige Raubkatze herausfordern.
    Edgar erstarrte innerlich. Sein Blut fühlte sich an wie Eis. Er wollte wegschauen, um das Schreckliche nicht mit ansehen zu müssen, doch er war unfähig, den Kopf zu drehen.
    Der Schwarze kam mit geschmeidigen Bewegungen auf Algernon zu, der ihm scheinbar furchtlos entgegenblickte. Das Ungeheuer war ein Kraftpaket, Edgar sah das Spiel seiner Muskeln. Aus der Kehle des Untiers stieg ein dumpfes Grollen auf.
    Algernon fauchte erneut.
    »Ich habe keine Angst vor dir, du schwarze Pest! Wenn du denkst, dass ich feige vor dir weglaufe, dann irrst du dich. Komm nur näher!«
    »Wer bist du, dass du es wagst, dich mir entgegenzustellen?« Die Stimme des Fremden triefte vor Bosheit. Seine Worte schienen aus Dunkelheit geformt zu sein.
    »Ich bin Algernon, der König der Straßen, und ich fürchte den Tod nicht!«, schleuderte Algernon dem Raubtier kühn entgegen.
    »Du verlässt dich auf deine neun Leben?« Die Bestie lachte. Es war ein hässliches Lachen, das das Laub der Bäume zum Zittern brachte. »Du irrst. Egal, wie viele Leben du noch hast – dies ist das Ende. Ich bin der leibhaftige Tod. Man nennt mich den Schlächter! Sag, was du noch sagen willst, es werden deine letzten Worte sein.«
    »Wieso tust du das?«, fauchte Algernon. »Du tötest, um zu töten – nicht, um deinen Hunger zu stillen. Du lässt die toten Leiber liegen und rührst sie nicht an. Warum?«
    »Weil ich dein Fleisch und das der anderen Katzen nicht brauche.«
    Edgar fiel vor Anspannung fast vom Baum. Im letzten Moment erlangte er das Gleichgewicht wieder.
    »Warum tötest du dann?«, fragte Algernon weiter.
    »Um dich zu meinem Diener zu machen.« Wieder lachte die Raubkatze. »Ich werde deine Seele verschlingen – dann bist du mein … und wirst tun, was ich will!«
    Edgar traute seinen Augen kaum, als Algernon auf das schwarze Ungetüm losschoss und es von der Seite ansprang. Der Kopf der Riesenkatze schnellte herum, spitze weiße Zähne blitzten in der Dunkelheit auf. Edgar erwartete Algernons Todesschrei. In diesem Moment schoben sich die Wolken am Himmel weiter und gaben den Mond frei. Dessen fahles Licht fiel auf die Grasfläche, und Edgar bemerkte, dass das Raubtier keinen Schatten warf. Wie war das möglich? Jedes Lebewesen warf einen Schatten, sogar jedes Ding! In Emmas Wohnung hatte Edgar oft genug seinen eigenen Schatten beobachtet und mit ihm gespielt. Er hatte Emmas Schatten gesehen und den Schatten der Gegenstände, die sie hin und her trug. Er wusste auch, dass die Schatten je nach Einfall des Lichts wachsen oder schrumpfen konnten. Manchmal wuchsen sie auch in die Länge … Aber keinen Schatten … das gab es nicht!
    Mit der Raubkatze stimmte etwas nicht!
    Diese Erkenntnis überraschte Edgar so sehr, dass er einen Moment lang vergaß, in welcher Gefahr sich Algernon befand.
    »Wer bist du?«, zischte er vom Baum herunter und lenkte so die Aufmerksamkeit des Riesentiers auf sich.
    Der Schwarze richtete seine glühenden Augen nach oben. »Wer fragt da?«
    »Du hast keinen Schatten«, sagte Edgar heiser, da die Angst ihm die Kehle zuschnürte. »Du … du bist nicht echt! Alles hat einen Schatten!«
    Die Raubkatze verzog ihr großes Maul zu einem hässlichen Grinsen. »Gut beobachtet! Aber du irrst dich. Es stimmt nicht, dass alles einen Schatten hat. Gedanken haben keinen Schatten, Gerüche, Geräusche …« Sie lachte.
    Edgar erschauderte. Das Gefühl, dass da etwas nicht mit rechten Dingen zuging, verstärkte sich. Einen kurzen Moment lang musste er an den Mann mit der Sense denken, der ihm am frühen Morgen begegnet war. Der war ähnlich unheimlich gewesen. Und er war einfach verschwunden …
    »Alles, was Knochen hat, wirft einen Schatten«, behauptete Edgar. »Wo ist deiner? Hast du ihn gefressen? Oder hast du nie einen gehabt? Du bist gar keine Katze!«
    Das Untier fauchte und setzte sich auf die Hinterpfoten vor Edgars Baum. Dunst stieg aus seinem großen Maul auf. Es schien Algernon völlig vergessen zu haben. Edgar sah aus den Augenwinkeln, wie sich der Straßenkater vorsichtig davonschlich. Gut so!
    »Und was bin ich deiner Meinung nach?« Wieder lag ein
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