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Edelsüß: Norma Tanns vierter Fall (German Edition)

Edelsüß: Norma Tanns vierter Fall (German Edition)

Titel: Edelsüß: Norma Tanns vierter Fall (German Edition)
Autoren: Susanne Kronenberg
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dieses Haus gezogen. Sie mochte den unscheinbaren Altbau, und sie liebte das
Leben in Biebrich, diesem lebendigen Wiesbadener Stadtteil, der bis ans Rheinufer
heranreicht. Von der Haustür ins Büro waren es nur fünf Schritte entlang der Fassade.
An den improvisierten Arbeitsraum im ehemaligen Blumenladen erinnerte nichts mehr,
seit sie die Wände in einem satten Terrakottaton gestrichen und die abgenutzten
Regale gegen neue Möbel getauscht hatte. Aktenordner und Papiere standen und lagen
nicht mehr offen herum, sondern waren hinter Schranktüren verschwunden, die ihr
halfen, Ordnung zu halten. Für die Klienten gab es eine nette Sitzecke am Fenster.
Einmal entschlossen, hatte sie sich aufgemacht und an einem einzigen Samstag sämtliche
Möbel ausgewählt. Nur die Suche nach der Jalousie, die neugierige Blicke durch die
Schaufensterscheibe verhindern sollte, hatte sich als langwierig und scheinbar aussichtslos
erwiesen, bis sie schließlich in einem Biebricher Laden einen apart gemusterten
Lamellenvorhang entdeckte. Nun war sie sehr zufrieden mit dem Ergebnis, das genügend
Seriosität ausstrahlte, um den Klienten wie ihr selbst den Eindruck zu vermitteln,
Norma Tann habe sich als Private Ermittlerin etabliert.
    Ihr derzeitiger
Auftraggeber war ein Wiesbadener Versicherungsdetektiv, für den sie das Internet
nach Adressen durchstöberte. Eine stupide Schreibtischarbeit mit dem Vorzug, passabel
bezahlt zu werden. Norma steckte mitten in den Recherchen, als sich durch die Jalousie
die Silhouette einer Limousine abzeichnete. Sie stand auf und öffnete die Tür. Auf
der Gasse wartete Lutz Tann, Arthurs Vater. Arthurs Tod hatte ihre Freundschaft
vertieft. Seit Weihnachten ließ Lutz sich von der fixen Idee treiben, die 100 Jahre
alte Villa der Familie zu verkaufen und aus dem Wiesbadener Nerotal wegzuziehen.
Ein neues Domizil am Rhein schwebte ihm vor; vielleicht in Schierstein oder einem
Winzerort im Rheingau. Der Landstrich am Rhein mit seinen wunderschönen Orten und
geschichtsträchtigen Städtchen begann unmittelbar hinter Wiesbadens westlicher Stadtgrenze.
In den vergangenen Wochen hatten sie gemeinsam mehrere Häuser besichtigt. Das Traumhaus
ließ bisher auf sich warten. Norma war von den Plänen weniger überzeugt. Lutz liebte
seine Gewohnheiten. Frühmorgens spazierte er durch die Taunusstraße in die Innenstadt
und frühstückte im ›Maldaner‹ oder einem anderen Lieblingscafé, um sich danach um
den Verlag zu kümmern. Für den Rückweg nahm er sich gern die Zeit für einen Umweg
und schlenderte über die Wilhelmstraße und am Kurhaus entlang. Sie war sicher, das
wäre nichts für ihn: Täglich mit dem Bus, dem Taxi oder dem eigenen Wagen in die
Stadt zu fahren. Sein Daimler, ein Oldtimer, ins Heute gerettet aus dem letzten
Drittel des vergangenen Jahrhunderts, schonte sich die meiste Zeit in der Garage
und kam nur zu besonderen Ausfahrten ans Tageslicht. Dieser Vormittag bot offenbar
eine solche Gelegenheit.
    Galant zog
Lutz die Beifahrertür auf. »Zum Weingut Adebar, Madame!«
    »Adebar
wie Storch?«, wunderte sie sich.
    »Vermutlich
hat man es nach all den Störchen benannt.«
    »Demnach
geht es nach Schierstein?«
    Das einstige
Winzer- und Fischerstädtchen war bekannt für die wachsende Zahl an Storchenpaaren,
die dort jeden Sommer brüteten und ihre Küken aufzogen.
    Er schaute
schwärmerisch. »Ich sehe mich schon mit Undine in einem der hübschen Restaurants
am Hafen sitzen. Und mit dir natürlich.«
    Er stutzte
und musterte ihre langen Blusenärmeln, ohne die blauen Flecken darunter zu erahnen.
»So warm angezogen bei der Hitze? Du hast dich hoffentlich nicht erkältet?«
    »Alles in
Ordnung«, entgegnete sie unbekümmert. »Eigentlich müsste ich arbeiten.«
    »Das Exposé
klingt viel versprechend. Ich würde mich freuen, wenn du mich begleitest, Norma.«
    Der Versicherungsauftrag
konnte eine Stunde warten. Sie sperrte das Büro ab. Im Wagen roch es nach Holzwachs
und Lederpflegemittel. Sie sank mit einer gewissen Ehrfurcht auf den Sitz nieder.
    »Willst
du vom Verleger zum Winzer umschulen?«, fragte sie scherzhaft, als Lutz eingestiegen
war.
    Er lächelte
versonnen. »Reizen würde es mich. Aber ich Schreibtischtäter im Weinberg? Die armen
Reben! Abgesehen davon geht es nur um die Gebäude. Die Weinberge wurden Mitte der
1980er-Jahre verpachtet. Zu der Zeit, als viele Winzer aufgeben mussten.«
    »Gab es
dafür einen bestimmten Grund?«
    Er warf
ihr einen verwunderten Blick zu. »Na, der
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