Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Echte Morde

Echte Morde

Titel: Echte Morde
Autoren: Charlaine Harris
Vom Netzwerk:
anderer, der wahrhaftig alle Fahrzeuge von G.I. Joe besaß. Ich hörte nur mit halbem Ohr zu, mein Kopf war mit anderen Dingen beschäftigt. An mir nagte wieder dieses Gefühl, das ich nicht richtig zu fassen bekam: Da war etwas, sagte mir dieses Gefühl, was ich wusste, es musste mir nur wieder einfallen. Etwas, woran ich mich unbedingt erinnern musste. Etwas, das ich gesehen hatte? Was es auch sein mochte, es war wichtig, wollte mir aber einfach nicht wieder einfallen.
    „Mein Baseball!", schrie Phillip plötzlich.
    Womit er wieder meine volle Aufmerksamkeit hatte, hatte mich dieser Aufschrei ohne jede Vorwarnung mitten in der Schilderung des empörten Schulleiters, der sich die Kampfhähne auf dem Schulhof vorknöpfte, doch fast zu Tode erschreckt.
    „Phillip. Draußen ist es dunkel!", protestierte ich hilflos, denn Phillip war schon aufgesprungen und schoss zur Hintertür.
    Hatte ich ihn eigentlich je normal gehen sehen? Außer damals, als er etwa zwölf Monate alt war und es gerade lernte? „Nimm wenigstens meine Taschenlampe mit. Hier!"
    Ich schaffte es, ihm die Taschenlampe in die Hand zu drücken, aber nur, weil er Taschenlampen über alles liebte. So blieb er stehen, bis ich sie aus der Küchenschublade geholt hatte.
    „Versuch dich daran zu erinnern, wo du den Ball das letzte Mal gesehen hast!", rief ich noch hinter ihm her.
    Die Schulgeschichte war lang gewesen, ich hatte aufgegessen, während Phillip sie erzählte. So konnte ich meinen Teller schon mal vorspülen und in den Geschirrspüler räumen, denn Robin würde bald da sein, und ich wollte unbedingt, dass die Küche ordentlich aussah. Die Tellerchen für den Nachtisch standen schon bereit, alles war gerichtet, ich brauchte also nur noch auf die Rückkehr eines strahlenden Phillip mit seinem Ball zu warten. Ich nutzte die Wartezeit, um mir meine Bücherregale anzusehen, räumte ein paar Bücher, die verstellt waren, wieder an ihren Platz und starrte gedankenverloren auf die Buchrücken.
    All die Geschichten von bösen oder durchgedrehten Männern und Frauen, die in ihrem Leben die feine Linie überschritten hatten, die uns, die wir zu bestimmten Taten in der Lage waren, sie aber nicht begingen, von denen trennte, die ebensolche Taten begehen konnten und es auch taten.
    Inzwischen war Phillip schon lange verschwunden. Ich hörte ihn auch nicht auf dem Parkplatz.
    Da klingelte das Telefon.
    „Ja!", meldete ich mich kurz angebunden.
    „Roe, Sally hier."
    „Was ...?"
    „Hast du Perry gesehen?"
    „Wie bitte? Nein!"

    „Ist er ... er ist dir doch nicht nachgegangen, oder?"
    „Nein! Jedenfalls nicht so, dass ich es bemerkt hätte."
    „Er ..." Sally verstummte.
    „Sally, was ist los?", fuhr ich sie an. Ich blickte aus dem Küchenfenster, hielt verzweifelt Ausschau nach dem tanzenden Lichtstrahl einer Taschenlampe, der doch durch die Lücken im Gartenzaun zu sehen sein musste. Ich musste an den Abend denken, an dem Perry im Dunkeln darauf gewartet hatte, dass Robin mich nach Hause brachte. Ich hatte schreckliche Angst.
    „Er hat seine Arzneimittel nicht genommen. Er ist nicht zur Arbeit gegangen. Ich weiß nicht, wo er ist. Wenn er sich nun wieder irgendwelche Pillen eingeworfen hat?"
    „Dann ruf die Polizei an! Die müssen ihn suchen. Was ist, wenn er jetzt hier ist? Phillip läuft allein da draußen im Dunkeln rum!" Fast schon hysterisch knallte ich den Hörer auf die Gabel, schnappte mir meinen riesigen Schlüsselbund, um notfalls mit dem Auto die Nachbarschaft abgrasen zu können, und kramte die zweite Taschenlampe hervor, die ich immer parat liegen hatte.
    Es war meine Schuld. Das geheimnisvolle Monster hatte sich Phillip geholt, ein sechsjähriges Kind, und es war alles meine Schuld. „Oh, Herr im Himmel, gütiger Vater, beschütze diesen Jungen", betete ich bei mir.
    Ich ließ die Hintertür weit offen. Der breite Lichtstrahl, der sich in die Dämmerung ergoss, war mir willkommen und hatte etwas Beruhigendes. Das Gartentor stand offen, Phillip dachte nie daran, es hinter sich zu schließen. Neben dem Tor lehnte sein Schläger, genau dort, wo er ihn hingestellt hatte, um zum Abendessen hereinzukommen.
    „Phillip!" Erst schrie ich seinen Namen, dann fand ich das zu gefährlich, wusste ich doch nicht, wer mich sonst noch hörte.
    Sollte ich lieber leise sein und schleichen? Ich konnte mich nicht entscheiden, ich wurde von Minute zu Minute nervöser und ängstlicher, die Taschenlampe zuckte hierhin und dorthin. Wenige Meter von mir entfernt
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher