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Dustlands - Die Entführung

Dustlands - Die Entführung

Titel: Dustlands - Die Entführung
Autoren: Moira Young
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verschwinden im roten Nebel.
    Lugh!, kreisch ich. Lugh! Komm zurück!
    Meine Beine geben nach. Ich fall auf die Knie.
    Emmi klettert aus dem Sturmschutzkeller und kommt angerannt. Sie bleibt stehen. Starrt in die dunstige rote Welt. Auf Procter John, der neben der Hütte liegt. Dann sieht sie Pa.
    Pa!, kreischt sie und rennt zu ihm.
    Ich bring kein Wort raus. Krieg keine Luft.
    Lugh ist weg.
    Weg.
    Mein Herz, meine Sonne ist weg.
    Ich knie im Staub.
    Tränen laufen mir übers Gesicht.
    Und jetzt prasselt ein heftiger roter Regen vom Himmel.

    I n meinem Bauch ist ein Messer. Es dreht sich und schlitzt mich auf. Mit jedem Herzschlag rutscht es ein bisschen tiefer in mich rein. Es tut so weh, damit kann ich nicht weiterleben. Ich schling mir die Arme um den Oberkörper und krümme mich. Mein Mund öffnet sich zu einem stummen Schrei.
    So bleib ich lange knien.
    Der Regen lässt nicht nach. Um mich rum verwandelt die ausgetrocknete Erde sich in einen schäumenden See aus Schlamm.
    Guck mal, Pa. Es regnet.
    Zu spät.
    Nero flattert zu mir runter und landet auf meiner Schulter. Zupft an meinen Haaren.
    Ich richte mich auf. Ganz langsam. Ich bin benommen. Fühl rein gar nichts.
    Steh auf. Du hast was zu erledigen.
    Meine Hand. Ich guck sie mir an. Kommt mir vor, als wär sie weit weg. Als würd sie jemand anders gehören. Der Schuss hat einen langen Streifen Haut abgeschürft. Das muss wehtun.
    Ich steh auf. Zwing meine Füße, sich zu bewegen. Rechts. Links. So schwer. Ich wate durch den Schlamm zur Hütte. Nero fliegt auf und kauert sich unters Dachsims.
    Hand. Mach deine Hand sauber.
    Ich gieß Wasser drüber. Mach Feuerkrautblätter drauf und bind ein Stück Stoff drum.
    Pa ist tot. Du musst ihn verbrennen. Seine Seele freilassen, damit sie zurück zu den Sternen fliegen kann, wo sie herkommt.
    Ich guck in den Holzschuppen. Nicht genug da, um einen richtigen Scheiterhaufen zu bauen. Aber ich muss ihn verbrennen.
    Denk nach. Denk nach.
    Ich find unseren kleinen Handkarren. Roll ihn Richtung See. Schieb ihn durch den Schlamm bis zu der Stelle, wo Emmi neben Pa steht.
    Sie ist barfuß. Nass bis auf die Haut. Die Haare hängen in nassen Strähnen runter. Daraus tropft es ihr ins Gesicht und in den Nacken.
    Sie rührt sich nicht. Guckt mich nicht an. Starrt vor sich hin.
    Ich pack sie an den Armen und schüttel sie.
    Pa ist tot, sag ich. Wir müssen ihn wegbringen.
    Sie beugt sich vor und kotzt in den Schlamm. Ich warte, bis sie fertig ist. Sie sieht mich von der Seite an und wischt sich übern Mund. Ihre Hand zittert, sie weint.
    Geht’s wieder?, frag ich. Sie nickt. Nimm seine Beine, sag ich.
    Ich fass ihn unter den Armen und zieh. Emmi nimmt seine Füße. Pa ist in den letzten sechs Monaten dünner geworden. Es hat so lange nicht geregnet, da ist es immer schwerer geworden, was zu essen zu finden, so gut wie unmöglich, was anzubauen.
    Du hast dein Abendessen nicht aufgegessen, Pa. Hast du keinen Hunger?
    Ach, ich hatte reichlich, mein Kind. Hier. Teilt euch den Rest.
    Er hat gewusst, dass wir ihm das nicht abnehmen, aber wir haben trotzdem alle mitgespielt.
    So dünn wie Pa ist, ist er doch ein erwachsener Mann. Zu schwer für ein mageres kleines Mädchen und mich. Wir können ihn nicht tragen. Wir müssen ihn hochstemmen, zentimeterweise. Em rutscht ständig aus. Sie hört nicht auf zu weinen. Im Nu ist sie von oben bis unten mit rotem Schlamm beschmiert.
    Irgendwann haben wir ihn dann auf dem Karren. Pa ist groß, deshalb passt er nur halb drauf. Die Beine baumeln hinten runter.
    Wo ist Lugh? Emmi schluchzt. Ich will Lugh.
    Er ist nicht da, sag ich.
    W-w-wo ist er?
    Weg, sag ich. Ein paar Männer haben ihn mitgenommen.
    Er ist tot, sagt sie. Du willst es mir bloß nicht sagen. Er ist tot! Lugh ist tot! Er ist tot, tot, tot, tot, tot, tot, tot –
    Halt die Klappe!, sag ich.
    Sie fängt an zu kreischen. Schnappt nach Luft und schluchzt und kreischt und kreischt und kreischt.
    Emmi!, brüll ich sie an. Hör auf!
    Aber sie kann nicht. Sie ist völlig durch den Wind. Außer Kontrolle.
    Also verpass ich ihr eine Ohrfeige.
    Da hört sie auf.
    Erschrocken schnappt sie nach Luft. Atmet ein paarmal tief und stockend durch, bis sie sich beruhigt hat. Wischt sich die Nase am Ärmel ab. Guckt mich an. Auf ihrer Wange ist ein roter Fleck. Ich hätt das nicht tun sollen. Das weiß ich. Lugh hätt es nicht getan. Sie ist zu klein, um das wegzustecken.
    Tut mir leid, sag ich. Aber du hättest das nicht sagen sollen. Lugh ist nicht
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