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Dustlands - Der Herzstein: Roman (German Edition)

Dustlands - Der Herzstein: Roman (German Edition)

Titel: Dustlands - Der Herzstein: Roman (German Edition)
Autoren: Moira Young
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angewöhnt, an seiner Stelle zu sprechen. Scheint ihm nichts auszumachen.
    Aber am Anfang ist die Hauptsache gewesen, dass wir am Leben sind. Irgendwie … irgendwie haben wir das alles überlebt. Und ich hab meinen Lugh wieder gehabt. Meinen Bruder, aus tiefstem Herzen geliebt. Uns ist irgendwie ganz schwindlig gewesen vor Erleichterung und Freude und … wir sind so erleichtert gewesen, dass wir alles andere vergessen haben.
    Zum Beispiel, wie wir da hinkommen, wo wir hinwollen.
    Am Ende haben wir den ersten Reisenden gefragt, den wir getroffen haben. Einen Salzsammler auf einem Kamel, der gerade in einem der großen Salzseen im Ödland ernten gewesen war. Mit unserer Tauschware hat es ziemlich mau ausgesehen, das Beste, was wir ihm anbieten konnten, sind eine Gürtelschnalle und ein Paar Stiefelschnürsenkel gewesen. Dafür haben wir eine halbe Büchse Salz bekommen und den Rat, quer durchs Ödland zu reiten. Er hat gesagt, das wär der schnellste, direkteste Weg nach Westen. Wir haben gedacht, er weiß, wovon er redet, also haben wir getan, was er gesagt hat. Wir sind mitten reingeritten.
    Für eine Schnalle und Schnürsenkel bekommt man keinen guten Rat. Er hat uns nicht erzählt, was das für eine Gegend ist. Warum sie das Ödland heißt. Er hat uns nichts vom Todeswasser erzählt. Davon, dass es kaum was zu jagen gibt. Von den Seuchengruben der Abwracker, die sich über Meilen hinziehen. Von den Erdlöchern, die sich plötzlich auftun, wenn man gerade drübergeht. Eben läuft man noch über festen Boden, im nächsten Augenblick öffnet sich ein Loch, und man liegt unten zwischen den Toten.
    Ich bin die Erste gewesen, die in eins reingefallen ist. Ich hab früher schon mal bis zum Hals in den Knochen von Toten gesteckt. Man sollte meinen, dass ich dran gewöhnt bin. Dass es mir nichts ausmacht. Tut es aber. Es macht mir was aus.
    Ich hab den Tod so unendlich satt.
    Dann hat’s Buck getroffen, Lughs Pferd. Zum Glück hat er sich nicht das Bein gebrochen oder schlimmer. Zum Glück hat Lugh ihn gerade geführt und nicht geritten. Aber er hat sich das rechte Bein vertreten. Das ist vor einer Woche gewesen, aber er ist immer noch nicht richtig gesund. Also sitzen wir hier fest, bis es ihm besser geht. Sitzen im Ödland fest.
    Vielleicht versucht es wirklich, uns hier festzuhalten. Vielleicht hat Emmi recht. Ist noch gar nicht lang her, dass ich auf das, was eine neunjährige kleine Schwester zu sagen hat, nichts gegeben hätte. Aber Em weiß manche Sachen einfach. Neuerdings tu ich sie nicht so schnell ab.
    Eins stimmt. Eins weiß ich sicher. Diese Gegend ist nicht richtig. Da sind Schatten, wo keine sein dürften. Ich seh was aus dem Augenwinkel, und ich denk, es wär Nero oder ein anderer Vogel, aber dann ist da keiner. Und ich hör diese … diese Geräusche. Es ist wie … weiß auch nicht, als wenn jemand flüstern würd oder so.
    Den anderen sag ich nichts davon. Jetzt nicht mehr. Am Anfang schon. Da sind wir dann jedes Mal alle durch die Gegend gejagt um nachzugucken, aber keiner hat was gefunden, und dann haben sie angefangen, mich komisch anzusehen, also halt ich jetzt den Mund.
    Ich schlaf nicht gut. Ich schlaf schon lange nicht gut, deshalb bin ich halbwegs dran gewöhnt, aber seit Epona tot ist, ist es schlimmer geworden. Immerhin kann ich dadurch über sie wachen. Über Lugh und Emmi und Tommo. Kann dafür sorgen, dass ihnen nichts passiert. Wenn ich nicht schlaf, kann keiner kommen und sie holen.
    Hauptsächlich beobachte ich aber Lugh. Er schläft tief und lang. Aber nicht ruhig. Niemals ruhig. In den meisten Nächten redet er im Schlaf. Ich versteh immer nur hier und da ein Wort, meist hör ich bloß Gemurmel.
    Manchmal weint er. Wie ein kleines Kind. Das ist am schlimmsten. Ich wein mit ihm. Kann nicht dagegen an. Seine Tränen sind meine. So ist das bei uns. Bis dahin hab ich ihn nur ein einziges Mal weinen gesehen, soweit ich mich erinner, und zwar, als Ma gestorben ist. Da sind wir acht gewesen. Damals sind jede Menge Tränen geflossen. Lugh und Pa und ich müssen so viele Tränen geweint haben, dass man den Silverlake damit dreimal hätte füllen können.
    Jetzt muss ich erst mal was tun. Sie werden mit leerem Magen aufwachen, drüben im Lager, und ich bin mit Jagen an der Reihe. Eidechse, Beutelratte, Schlange, ich bin nicht wählerisch. Alles geht, außer Heuschrecken. Heuschrecken hab ich die letzten drei Mal mitgebracht, und alles nur, weil – tja, jedenfalls haben es alle satt, auf
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