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Durch Zeit und Raum

Durch Zeit und Raum

Titel: Durch Zeit und Raum
Autoren: Madeleine L'Engle
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ihn vorzugsweise bei jemandem, dem er vertrauen kann und der keine Lieblingsprojekte durchsetzen will oder politische Interessen verfolgt. Das erklärt, warum mein Mann vor allem von unserem jetzigen Präsidenten so hoch geschätzt wird.« Sie rührte in der Tunke, stellte aber dann die Schüssel hin. »Aber warum das Ganze? Warum? Wenn doch jedermann weiß, daß sich ein Atomkrieg niemals gewinnen läßt.«
    Charles Wallace blickte vom Modell der Tesserung auf. » El Rabioso . Das ist sein Spitzname. Mad Dog Branzillo, der rasende Wüterich.«
    »Das paßt zu einem Menschen, der in einem wilden und blutigen Staatsstreich eine demokratische Regierung stürzt. Er ist schlichtweg geisteskrank und keiner Vernunft zugänglich.«
    »Ein einzelner Verrückter in Vespugia drückt auf den Knopf«, sagte Dennys bitter, »und unsere ganze Zivilisation, alles, was auch Mutter und Vater mitgeschaffen haben, geht in einem Pilz aus Rauch und Asche auf. Warum gelingt es dem Präsidenten nicht, ihm das klar zu machen?«
    Sandy legte frisches Holz nach, als könnten sie alle aus Wärme und Licht neue Hoffnung ziehen.
    Dennys spann seinen Gedanken weiter. »Wenn Branzillo zuschlägt, wenn er seine Raketen abschießt, rottet er womöglich die gesamte Menschheit aus —«
    »— was sich notfalls verschmerzen ließe —«, fiel ihm Sandy mit Galgenhumor ins Wort.
    »— und selbst wenn irgendwo in dünn besiedelten Gegenden, in den Bergen oder in der Wüste, ein paar Leute überleben, bleiben sie vom radioaktiven Staub nicht auf Dauer verschont. Noch ihre Kindeskinder werden Krüppel sein. Niemand wird um diesen Preis Krieg führen wollen. Kann ihm das der Präsident nicht beibringen?«
    »Er hat es ohnedies immer wieder versucht«, sagte Herr Murry. »Aber El Rabioso trägt seinen Namen nicht umsonst. Wenn er schon zugrunde gehen soll, nimmt er eben gleich die ganze Erde mit.«
    »Also gut. Er schickt in Vespugia seine Raketen los und weiß, daß wir ihm die unseren zurückschicken. Und wozu das Ganze?« Sandys Stimme zitterte vor Wut.
    » El Rabioso sieht darin einen Akt der Vergeltung, eine längst fällige Wiedergutmachung. Wir haben in der westlichen Welt mehr als unseren Anteil an der Energie und damit an den Bodenschätzen und anderen Gütern der Erde verbraucht und müssen dafür bestraft werden«, sagte Herr Murry. »Wir, behauptet er, sind schuld daran, daß Öl und Kohle knapp werden, daß die Bäume ihr Laub verlieren und daß die ganze Atmosphäre vergiftet ist. Dafür präsentiert er uns jetzt die Rechnung.«
    »Die Anklage ist nicht unberechtigt«, räumte Sandy ein. »Aber wenn er uns jetzt so die Rechnung macht, macht er sie ohne den Wirt. Den höchsten Preis wird Vespugia selbst zahlen müssen.«
    Frau O’Keefe hielt ihre dürren, runzeligen Hände über die Flammen. » In der Stunde, die alles entscheiden kann… «, murmelte sie.
    Meg schaute ihre Schwiegermutter erstaunt an, aber die Alte wandte sich brüsk ab. Meg seufzte und sagte, zu keinem im Besonderen: »Ich weiß, daß es egoistisch klingt, aber wie froh wäre ich, wenn Calvin jetzt nicht in London wäre und seinen Vortrag hielte. Warum bin ich nicht mit ihm geflogen!«
    »Ich kann dich gut verstehen, mein Liebes«, erwiderte Frau Murry. »Aber du weißt doch, daß Doktor Louise dir von der Reise abgeraten hat.«
    »Wenn ich ihn wenigstens anrufen könnte…«
    Charles Wallace erwachte aus seiner schweigenden Zurückhaltung. »Noch gibt es keinen Atomkrieg«, sagte er. »Noch ist keine Rakete unterwegs. Und so lange es nicht dazu gekommen ist, kommt es vielleicht überhaupt nicht dazu.«
    Das gab Meg wieder ein wenig Mut. Vielleicht, überlegte sie, wäre es ohnehin besser gewesen, wenn wir nicht mehr wüßten als alle anderen. Wie sollen wir uns denn auch auf die Möglichkeit vorbereiten, daß nur noch einmal die Sonne aufgeht, ehe wir alle ausgelöscht werden?
    » … die alles entscheiden kann «, brummte die alte Frau erneut und drehte wieder den Kopf weg, als sich die Murrys ihr zuwandten.
    Charles Wallace sprach zur ganzen Familie, schaute dabei aber nur Meg an. »Heute ist Thanksgiving Day, und außer Calvin sind alle hier; und an seiner Stelle ist seine Mutter gekommen; das ist wichtig und gut. Und wir wissen, daß sogar Calvin mit seinem Herzen bei uns ist.«
    »In England wird Thanksgiving nicht gefeiert«, bemerkte Sandy nüchtern.
    »Aber bei uns!« Herrn Murrys Stimme klang entschlossen. »Deckt ihr bitte den Tisch? Dennys, füllst du die
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