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Durch den Wind

Titel: Durch den Wind
Autoren: Annika Reich
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Schuhe mit einem Riemen um die Fesseln und einen beträchtlichen Teil von Veras Armbändern, die im Kerzenlicht funkelten. Von den Gästen auf ihre Kronjuwelen angesprochen, antwortete sie: »Meine Lieblingstante hat sie mir heute in einer großen Lafayette-Tüte per Fahrradkurier geschickt.« Und alle lachten. Eduard lachte mit und nahm sie in den Arm, wenn sie ihren Spruch losgelassen hatte – jedes Mal. Nur ihre Nachbarin lachte nicht, sondern sagte leise: »Funkeln funktioniert immer, selbst wenn es auf dem letzten Zahn ist.« Da war Eduard gerade auf der Terrasse, um mit seinen Kollegen zu rauchen.
    »Und wenn schon. Wie Sie gesagt haben: Wenn es funktioniert, wen interessiert’s«, antwortete Siri.
    »Sie sind wirklich bedingungslos, das gefällt mir«, sagte ihre Nachbarin.
    »Würde ich einen solchen Abend machen, wenn ich bedingungslos wäre?« fragte Siri. »Das sind doch alles ... jedenfalls nicht meine Freunde. Das sind alles Menschen, die Eduard mag, die zu dem Leben passen, das er gerne mit mir haben möchte und das ich auch manchmal gerne mit ihm haben möchte. Aber ist Ihnen schon aufgefallen, dass Sie neben mir die einzige Frau sind, die trinkt und laut lacht? Diese Leute hier können sich gut unterhalten, weil sie alle das Gleiche sagen, eigentlich vollkommen trostlos. Aber sie sprechen mich auf meine Armbänder an und nicht auf meine Augenringe, also mag ich sie heute Abend, alle, so wie sie hier sind.«
    Dann machte sie eine ausholende Armbewegung und ging an die Tür, um ein weiteres Ehepaar zu empfangen.
    »Kommt rein! Wie schön, dass ihr gekommen seid. Wenn ihr rauchen wollt, raucht, so viel ihr könnt. Wir tun das auch. Und da drüben sind die Drinks. Das Essen wird rumgetragen, und die Einflugschneise ist hier im Flur neben den Waldläufern, die in die falsche Richtung rennen«, sagte Siri und deutete auf die Photoinstallation im Flur.
    Eduard stand neben ihr, strahlte sie an, brachte ihr ein Glas Wasser und fragte dann in einem ruhigen Moment: »Yoko und Alison sind noch in Japan, oder?«
    Sie nickte, die Frage versetzte ihr einen kleinen Stich.
    »Und Friederike? Konnte sie nicht kommen?«
    »Leider nicht«, sagte sie, »sie hatte schon eine andere Verabredung. Ich soll dich grüßen.«
    Friederike hatte sie nicht eingeladen, weil der Abend unter ihrem Röntgenblick zerbröselt wäre und sie ihn dann gar nicht erst hätte machen müssen. Zwei Wochen war das jetzt alles her, und sie hatte Friederike noch nicht einmal angerufen. Vielleicht war sie einfach noch nicht reif für Friederike. Friederike war anders als die anderen. Sie lachte nicht an Stellen, die zum Weinen waren.
    Sie lehnte sich an Eduards Schulter, rieb ihr Ohr an seinem Anzug, und das Knistern erinnerte sie an ein Gefühl, das sie einmal gehabt hatte, vor langer Zeit, als sie noch geglaubt hatte, dass alles gut werden würde.
     
    Als sie im Bett lagen, lächelte Eduard zufrieden. Sie beobachtete ihn von der Seite und spielte sogar mit dem Gedanken, ihm etwas ins Ohr zu flüstern. Doch Eduard war satt und müde. Und selbst wenn er es nicht gewesen wäre, hätte er nicht versucht, sie zu verführen, denn der Abend war so herrlich gewesen, dass er ihn nicht durch irgendwelche Missverständnisse trüben wollte.
     
    Sie blieb noch eine Weile wach, lag nackt im Bett und streckte ihre langen Arme mit den funkelnden Reifen in die Luft. Drei Jahre hatten sie keinen Sex mehr gehabt, drei Jahre. Nach Felix’ Geburt noch ein paar Mal, aber schon sehr halbherzig, und danach nicht mehr. Normalerweise hasste sie ihn in diesen Momenten, wo sie sich das so vor Augen führte, aber heute hasste sie ihn nicht. Heute lag sie da, Felix’ Lachen und das Stimmengewirr der Party im Ohr und Eduards erhobenes Haupt vor Augen.
    Wenn sie es doch nur könnte, wenn sie doch nur so leben könnte. Dann könnten sie vielleicht auch ab und zu mal wieder miteinander schlafen. Dann wäre doch alles in Ordnung. Es war doch zum Greifen nah, dieses Leben.

 
    Können Sie meine Sachen packen, Yoshihiro? Könnten Sie das bitte für mich tun?« fragte Alison.
    Yoshihiro verbeugte sich.
    »Und könnten Sie mich dann an den Flughafen bringen?«
    Er stockte.
    »Ich muss zurück nach Berlin.«
    Er schaute sie an.
    »Hier ist mein Zimmerschlüssel, werfen Sie einfach alles in den Koffer, es ist nicht viel. Ich kann nicht mehr in mein Zimmer, weil ich es mir sonst wieder anders überlege, verstehen Sie?«
    Er sagte: »Danke«, nahm den Schlüssel und
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