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Durch den Sommerregen

Durch den Sommerregen

Titel: Durch den Sommerregen
Autoren: Melanie Hinz
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kann, ist ein riesiger Schritt in die richtige Richtung.

    Als ich mit der Kameratasche über der Schulter und dem Laptop in der Hand wieder ins Wohnzimmer komme, telefoniert er gerade mit Markus. Da Sam, mit seinem gebrochenen Arm, noch für eine Weile ausfällt, hat der arme Kerl jetzt mächtig Stress im Shop. Sam macht zwar noch die Terminplanung und Beratung, aber ein aktiver Tätowierer ist eindeutig zu wenig, bei dem Kundenstamm, den sie sich inzwischen aufgebaut haben.
    Gestresst fährt Gabriel sich durch die Haare und den nicht vorhandenen Bart. Nach seiner Rasur hat er es beibehalten und nicht mehr als einen Dreitagebart stehen lassen. Der Anblick ist mir trotzdem manchmal noch fremd. Grundsätzlich bin ich kein Fan von Männern mit Bärten, aber zu ihm hat es gepasst.
    „Ist alles in Ordnung?“, frage ich, als er das Gespräch beendet.
    Er lässt das Telefon neben sich aufs Polster fallen und macht eine Bewegung zwischen Kopfschütteln und Nicken.
    „Markus kann das nicht mehr alleine stemmen. Ich gehe morgen wieder zur Arbeit. Das hat ja keinen Sinn. Ich kann wenigstens meine Hände benutzen.“
    „Der Arzt hat dir aber davon abgeraten, das Bein jetzt schon voll zu belasten.“ Ich lege Laptop und Kamera auf den Tisch und setze mich neben ihn.
    „Ich weiß. Aber ich kann meistens sitzen und Markus und Sam sind ja auch noch da.“
    „Das klingt nach einer lustigen Invalidenrunde. Soll ich euch eine Krankenschwester für die Tagesbetreuung bestellen?“
    Gabriel sieht mich von der Seite an. „Nur wenn es eine scharfe Krankenschwester ist“, sagt er mit todernster Miene. Doch seine Augen verraten deutlich, dass er mich nur triezen will.
    „Und was würdest du mit ihr machen?“, frage ich mit demselben Gesichtsausdruck.
    „Nichts, solange du nicht planst, den Schwesterndienst zu übernehmen. Glaubst du, dass ich dir fremdgehen würde, sobald du mir nur den Rücken zudrehst?“, fragt er und klappt den Laptop auf. Mit geübten Fingern zieht er die Speicherkarte aus der Kamera und steckt sie in den entsprechenden Steckplatz des Notebooks.
    „Merkwürdigerweise nicht. Und dabei habe ich bisher noch nie jemanden erlebt, der seinen Charme bei Frauen so gekonnt einsetzt wie du.“
    Gabriel zieht die Stirn in Falten und sieht mich nachdenklich an.
    „Siehst du mich wirklich so? Immer noch?“
    „Inzwischen sehe ich, dass du dir dessen überhaupt nicht bewusst bist und dass du mit mir von Anfang an völlig anders umgegangen bist. Außerdem bist du nicht mehr so extrem, seit wir uns sehen.“
    „Es ist doch nicht meine Schuld, dass die Ladys meinen Akzent heiß finden. Ich bin nur freundlich“, sagt er mit einem Zwinkern.
    Er öffnet den Fotoordner und lässt damit unzählige kleine Voransichten unserer Bilder erscheinen. Eine Menge nackter Haut springt mich an, aber auch einige Profilaufnahmen von mir.
    „Du warst wirklich fleißig“, bemerke ich mit heiserer Stimme.
    Gabriel lehnt sich zu mir und sucht meinen Mund, den ich ihm natürlich nicht verwehre.
    „Wir“, flüstert er zwischen zwei Küssen. „Wir waren fleißig.“
    Mit einem grummelnden Ton lässt er von mir ab und öffnet eine Diashow. Er versucht, den Computer auf dem Wohnzimmertisch abzustellen, doch sein Bein kommt ihm mal wieder in die Quere. So sehr er sich auch bemüht, seine Schmerzen zu verbergen, ich sehe es jedes Mal an den Rändern unter seinen Augen, wenn es schlimmer wird.
    „Leg dein Bein hoch, ich gehe dir eine Tablette holen“, sage ich und stelle die Diashow auf Pause, bevor auch nur das erste Foto gewechselt hat.
    Natürlich kann ich ihn nicht zwingen, ein Schmerzmittel zu nehmen, aber dieses Mal macht er noch nicht mal den Versuch, es abzulehnen.

35.
    Mit einem Stück Nusskuchen, den meine Mutter mitgebracht hat, und einem Glas Milch gehe ich zurück ins Wohnzimmer und stelle es vor ihm ab.
    „Für deinen Magen“, sage ich. „Iss erst was, dann bekommst du auch nicht so schnell Magenschmerzen.“ Ich nehme das Tablettenbriefchen aus meiner Hosentasche und drücke eine Tablette heraus, die ich für später auf den Tisch lege.
    Gabriel beobachtet mich, ohne ein Wort zu sagen.
    „Was ist?“, frage ich. Aus dem Augenwinkel sehe ich, dass er die Diashow wieder gestartet hat. Sofort nimmt mich die ablaufende Bilderfolge gefangen. Fotos von mir. Meine Haare wirr um meinen Kopf ausgebreitet und meine Hände in meinem Schoß. Obwohl man nur mein Gesicht und meine nackten Schultern sieht, gibt es doch keinen Zweifel,
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