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Durch den Sommerregen

Durch den Sommerregen

Titel: Durch den Sommerregen
Autoren: Melanie Hinz
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Natürlich bin ich auch nicht naiv genug, zu glauben, dass es nicht doch noch schief gehen könnte. Das werde ich aber erst rausfinden, wenn ich es ausprobiere.
    „Er scheint sehr nett zu sein“, flüstert meine Mutter mir zu, während Gabriel und mein Vater in ein Gespräch übers Angeln vertieft sind. Ich wusste noch nicht mal, dass Gabriel sich fürs Angeln interessiert.
    „Das ist er“, sage ich lächelnd. Nach und nach reiche ich meiner Mutter die kleinen Kätzchen, die sie gründlich inspiziert. Dabei weiß ich genau, für welches sie sich entschieden hat. Schon beim Betreten des Hauses konnte sie ihre Augen nicht von dem einzigen Rotschopf des Wurfes abwenden.
    „Möchtet ihr Kaffee oder kann ich euch etwas anderes anbieten?“, fragt Gabriel in die Runde und versucht, sich mühsam von der Couch zu erheben. Meine Eltern haben ihm sofort das Du angeboten, was mich richtig überrascht hat.
    „Bleib sitzen“, sage ich und schiebe ihn zurück auf die Couch. „Wir machen das schon.“
    Der Unfall ist jetzt zwei Wochen her und er läuft noch auf Krücken. Es wird eine Weile dauern, bis er das Bein vollständig belasten darf, da neben der verletzten Beinschlagader auch sein Oberschenkelhals angebrochen ist.

    „Und?“, frage ich meine Mutter, als wir in der Küche alleine sind und auf den Kaffee warten. „Hast du dich entschieden, welche du nimmst?“
    „Na, ich denke, das ist offensichtlich“, sagt sie grinsend. Ganz plötzlich wird sie wieder ernst und zieht mich fest in ihre Arme. „Ich dachte, du wirst nie wieder glücklich. Aber jetzt scheinst du jemanden gefunden zu haben, der wirklich gut für dich ist.“ Sie schiebt mich wieder ein Stück von sich, um mich ansehen zu können. „Das ist er doch, Leni? Er ist doch gut zu dir?“
    „Er ist verdammt gut zu mir, Mama.“ Und er hat die Geduld, abzuwarten, bis ich akzeptieren kann, dass ich dieses Glück verdient habe.

    Mit dem Versprechen, ihr neues Familienmitglied abzuholen, sobald es alt genug ist, von Hund getrennt zu werden, verabschieden sich meine Eltern. Gabriel bleibt auf der Couch sitzen, während ich sie zur Tür bringe. Auch wenn er nicht jammert, sehe ich, dass er wieder Schmerzen hat.
    „Was kann ich dir bringen?“, frage ich, als ich die Haustür hinter meinen Eltern geschlossen habe. „Brauchst du noch eine Schmerztablette?“
    „Jetzt noch nicht. Ich warte lieber bis zur Nacht, damit ich halbwegs schlafen kann. Die Dinger verursachen mir schon genug Magenschmerzen.“
    „Was dann? Hast du Hunger? Soll ich uns eine Pizza oder sowas bestellen?“ Ich stelle mich hinter die Couch und fahre durch seinen lockigen Haarschopf. Meine Berührung genießend schließt er die Augen und legt den Kopf in den Nacken.
    „Du musst nicht meine Krankenschwester spielen.“
    „Unsinn. Das mache ich gerne.“ Für ihn. Weil er es nicht als Selbstverständlichkeit sieht, obwohl es das eigentlich ist. Zumindest wenn man sich in einer intakten Beziehung befindet.
    „Wenn du unbedingt was für mich tun willst, dann kannst du meine Kamera und den Laptop holen. Wir haben immer noch ein paar Bilder, die wir durchschauen müssen.“
    Das hatte ich im Stress der letzten Wochen schon völlig verdrängt.
    „Ich bin mir nicht sicher, ob das eine gute Idee ist.“
    „Warum nicht, mon chouchou ?“
    Weil wir seit fast drei Wochen keinen Sex mehr hatten und weil ich das Gefühl habe, beim kleinsten Reiz zu explodieren. Da ist es vielleicht keine gute Idee, über unseren schmutzigen Fotos in Erinnerungen zu schwelgen.
    „Ich will dir nicht wehtun“, sage ich und zeige auf sein Bein. „Aber ich bin mir nicht sicher, ob ich mich zurückhalten kann, wenn wir uns das anschauen.“
    Gabriel grinst verschlagen und zieht mich zu einem Kuss herunter. Sobald sich unsere Lippen treffen und er meine Zunge mit seiner neckt, habe ich das Gefühl, mich nicht mehr aus eigener Kraft auf den Beinen halten zu können. Ja, wir haben uns geküsst nach seinem Unfall, aber wir haben uns beide immer schnell zurückgezogen, bevor es außer Kontrolle geraten konnte.
    „Du fehlst mir“, seufze ich an seinem Mund.
    „Ich bin hier, Helena. Ich bin immer hier. Du musst mich nicht vermissen.“
    Es sind keine leeren Phrasen, wenn er so etwas sagt. Das ist auch der Grund, warum ich mir jetzt eingestehen kann, dass ich ihn liebe. Ich bin nicht bereit, es zu sagen. Noch nicht. Für den Augenblick ist das auch nicht wichtig, denn in meinem Inneren weiß ich es und das ich es zulassen
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