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Dunkles Indien

Dunkles Indien

Titel: Dunkles Indien
Autoren: Rudygard Kipling
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Kram paßt; ich stelle es ihnen anheim, sie mögen darüber verfügen, wie - auch über meine Liebe. Lassen Sie mich jetzt noch ein bißchen schlafen, Doktor!«
    Dann vereinigten sich meine beiden Ichs, und nur eines blieb zurück - das eine, halb wahnsinnige, vom Teufel gehetzte, das sich im Bette herumwälzte und Schritt um Schritt zurückwanderte in die Begebnisse des verflossenen Monates.
    »Ich - bin - in - Simla«, sagte ich mir unablässig vor, »ich, Jack Pansay, bin in Simla, und Geister gibt es hier nicht. Es ist unvernünftig von der Frau, mir das Gegenteil beweisen zu wollen. Warum läßt sie mich nicht in Ruhe? Ich habe ihr doch nie etwas zu Leide getan. Gerade so gut wie sie, hätte auch ich sterben können! Nur wiedergekommen wäre ich nie, um sie zu morden. Sie aber kommt zurück -. Warum läßt sie mich nicht ruhig und glücklich sein?«
    Es war später Nachmittag, als ich erwachte; früher Morgen war's gewesen, bevor ich in Schlaf verfiel - in den Schlaf, der das Opfer auf dem Streckbrett befällt, wenn der Schmerz so furchtbar geworden ist, daß es ihn nicht mehr empfindet.
    Am nächsten Tag war ich außerstande, das Bett zu verlassen. Heatherlegh erzählte mir, eine Antwort der Mannerings sei eingetroffen (dank seiner freundlichen Bemühung), daß die Nachricht von meiner Erkrankung bereits in ganz Simla die Runde gemacht habe und man mich allgemein bedauere.
    »Das ist eigentlich mehr, als Sie verdienen«, fügte er scherzhaft hinzu, »obwohl Sie durch eine scharfe Mühle gegangen sind, das weiß Gott. Macht nichts; kurieren werde ich Sie doch, Sie verdrehtes Phänomen!«
    Ich bat ihn allen Ernstes, sich und mir das zu ersparen. »Sie haben mir sowieso schon viel zuviel Güte angedeihen lassen, altes Haus!« sagte ich. »Ich möchte Sie wahrhaftig nicht noch weiter bemühen.«
    Ich wußte in meinem Herzen nur zu gut, daß er mir die Bürde, die auf mir lag, nimmermehr würde erleichtern können.
    Mit dieser Erkenntnis überkam mich gleichzeitig eine hoffnungslose, aber um so leidenschaftlichere Empörung gegen all das Widersinnige, das mir zugestoßen war. Wie viele Männer gab es, nicht besser als ich, und doch blieb ihnen - hienieden wenigstens - die Strafe erspart; warum mußte gerade ich von einem so grausigen Schicksal heimgesucht werden?! Diese Gemütsstimmung machte später einer andern Platz: es wollte mir nämlich so scheinen, als seien die Rikscha und ich die einzigen wirklichen Wesen in einer Welt der Schemen, Kitty hingegen ein Gespenst, und die Mannerings, Heatherlegh und die zahllosen Männer und Frauen meiner Bekanntschaft desgleichen; wie große graue Berge, aber dabei leere Schatten, empfand ich sie - nur dazu da, peinigend auf mir zu lasten. - Sieben lange, qualvolle Tage taumelte ich so im Geiste hin und her, vorwärts und rückwärts, jedoch mein Körper genas mehr und mehr von Stunde zu Stunde, bis mir eines Morgens der Spiegel in meinem Schlafzimmer sagte, daß ich wieder fähig sei, zum alltäglichen Leben zurückzukehren und ein Mensch zu sein wie die ändern. Sonderbar genug: in meinem Gesicht war keine Spur zu sehen, die verraten hätte, welche Kämpfe ich durchgemacht. Es war bleich, aber, wie sonst, ohne irgendwelchen besonderen Ausdruck. Ich hatte mir vorgestellt, ich müßte gänzlich verändert sein - gewissermaßen ein wandelndes Krankheitsbild. Nichts von alledem.
    Am 15. Mai verließ ich Heatherleghs Sanatorium; der Junggeselleninstinkt trieb mich in den Klub. Bald merkte ich, daß jedermann dort meine Leidensgeschichte kannte - der Variante nach, die Heatherlegh zu verbreiten für gut befunden hatte –, merkte es an der plumpen Art, mir auffallend höflich entgegenzukommen. Trotzdem wußte ich nur zu genau, ich würde den Rest meines Lebens wohl zwischen, aber niemals »mit« meinen Gefährten verbringen. Aus tiefster Seele beneidete ich die Kulis auf der Gasse um ihr fröhliches Lachen. - Ich frühstückte im Klub und wanderte gegen vier Uhr planlos die Straße entlang in der heimlichen Hoffnung, Kitty zu begegnen. In der Nähe der Musikkapelle traf ich die schwarz und weißen Livreen und hörte Mrs. Wessingtons mir so wohlbekannten Zuruf dicht neben mir. Ich hatte es kommen gefühlt vom ersten Augenblick an, seit ich ausgegangen war; ich wunderte mich nur, daß das Phantom so lange gezögert hatte, mir zu erscheinen. So zogen wir Seite an Seite dahin über die Chota-Simla-Straße -: die Rikscha und ich. Beim Bazar überholten uns Kitty und ein Herr zu Pferd
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