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Dunkles Indien

Dunkles Indien

Titel: Dunkles Indien
Autoren: Rudygard Kipling
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Wagenverleiher, den ich endlich ausfindig machte, mir berichtet hat!: Alle vier Diener - es waren Brüder gewesen, die armen Teufel - sind an der Cholera gestorben, unterwegs nach Hardwar! Und die Rikscha hat der Mann zertrümmert. Unglück brächten die Rikschas toter Memsahibs, hat er gesagt. Verrückt, was? Als ob die kleine arme Mrs. Wessington fähig gewesen wäre, irgend jemandes Glück zu zerstören, außer ihr eigenes!« Ein krampfhaftes Lachen befiel mich bei diesen Worten, - ein Lachen, das mich selbst erbeben machte. Es gab also wirklich und wahrhaftig Gespenster von Rikschas, und – Dienerschaften im Jenseits! Wieviel Lohn wohl Mrs. Wessington ihren Leuten drüben zahlen mochte? Und wieviel Stunden hatten sie täglich zu tun? Und wohin sind sie jetzt gefahren?
    Wie als sichtbare Antwort auf meine letzte Frage tauchte das infernalische Ding in diesem Augenblick in der Dämmerung vor mir auf. Ja, die Toten reiten schnell und kennen Wegabkürzungen, von denen gewöhnliche Kulis keine Ahnung haben. Und wieder mußte ich laut auflachen, biß die Zähne zusammen, um es zu ersticken; ich fürchtete, wahnsinnig zu werden. Bis zu einem gewissen Grade muß ich wohl auch wahnsinnig gewesen sein, denn ich erinnere mich, daß ich an die Rikscha heranritt und Mrs. Wessington einen guten Abend wünschte. Die Antwort, die sie mir gab, war mir geläufig! Ich hörte sie bis zu Ende an und erwiderte, alles das hätte ich schon oft aus ihrem Munde vernommen und ich würde mich glücklich schätzen, einmal etwas anderes zu hören. - Ein boshafter Teufel muß damals Macht über mich gehabt und mich geritten haben, denn ich entsinne mich dunkel, ich schwätzte dem gespenstischen »Ding« da vor mir vielleicht fünf Minuten lang von allerlei Tagesklatsch.
    »Ein gänzlich übergeschnappter armer Teufel - oder ist er betrunken? Max, geh, bring ihn nach Haus!« hörte ich sagen.
    Das war bestimmt nicht Mrs. Wessingtons Stimme! Die zwei Männer hatten mich offenbar in die leere Luft hineinreden hören und waren umgekehrt, um nach mir zu sehen. Sie benahmen sich sehr freundlich und rücksichtsvoll, aber aus ihren Worten ging deutlich hervor, daß sie mich für schwer bezecht hielten. Ich dankte ihnen verwirrt, galoppierte nach meinem Hotel, zog mich um und kam zehn Minuten zu spät zu Mannerings. Ich entschuldigte mich mit der Dunkelheit auf den Straßen, wurde von Kitty wegen meiner eines Verlobten und Verliebten höchst unwürdigen Unpünktlichkeit ein wenig ausgescholten und setzte mich zu Tisch.
    Eine lebhafte Unterhaltung war bereits im Gang; unter dem Deckmantel der infolgedessen von uns abgelenkten Aufmerksamkeit plauderte ich zärtlich mit Kitty, da wurde ich plötzlich gewahr, daß ein am unteren Ende des Tisches sitzender Herr - er war von gedrungener Gestalt und trug einen roten Backenbart - mit allerlei Ausschmückungen die Schilderung eines Erlebnisses zum besten gab, das er an diesem Abend mit einem Wahnsinnigen auf der Straße gehabt hatte.
    Einige Sätze gaben mir die Gewißheit, daß er von meinem Falle sprach, der sich vor einer halben Stunde abgespielt hatte. Mitten in seiner Erzählung ließ er in der Runde der Gesellschaft seine Blicke schweifen, gewissermaßen Beifall erwartend, wie das Leute, die fesselnd zu plaudern verstehen, zu tun gewohnt sind. Dabei begegneten sich unsere Augen, und mitten im Satz brach er ab. Ein verlegenes Schweigen trat ein, dann murmelte der rotbärtige Herr etwas wie: der Schluß sei ihm entfallen, und opferte damit seinen Ruf als glänzender Anekdotenerzähler, den er sich im Lauf von sechs Saisons erworben. Ich segnete ihn aus tiefstem Herzen und machte mich über die Fischmayonnaise her.
    Das Diner war zu Ende, und nur schwer konnte ich mich von Kitty trennen, innerlich fest überzeugt, daß mich draußen vor der Tür - mein Schicksal erwarte. Der rotbärtige Herr, der mir als Dr. Heatherlegh aus Simla vorgestellt worden war, erbot sich, mich ein Stück Weges zu begleiten, zumal wir dieselbe Strecke zurückzulegen hätten. Ich nahm sein freundliches Anerbieten dankbar an.
    Meine Ahnung hatte mich nicht getäuscht: mitten auf dem Korso wartete es auf mich - das Rikscha-Phantom, teuflisch und höhnisch - wie ein Tiefseefisch mit glühendem Laternenauge; der rotbärtige Herr aber ging sofort auf sein Ziel los in einer Weise, die mich erkennen ließ, daß er schon an der Tafel darüber nachgedacht haben mußte.
    »Hören Sie, Pansay, was zum Kuckuck war eigentlich heute mit Ihnen los
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