Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dunkles Erwachen

Dunkles Erwachen

Titel: Dunkles Erwachen
Autoren: Thomas Knip
Vom Netzwerk:
hätte sich an ihre Namen erinnern müssen, doch sie verschwanden, wie die Gesichter, die sie trugen.
    Ein kleiner Junge stand verloren am Straßenrand und weinte lautlos. Sein Bild überlagerte sich wie in einem Kaleidoskop und fügte sich wieder zusammen. Neben ihm stand eine kleine Holzkiste. Der Junge hielt eine Bürste in der Hand. Putzte er Schuhe? Tyler senkte den Kopf und sah seine eigenen blutbedeckten Stiefel. In hohen Tönen sirrten Klänge an ihm vorbei und verloren sich in der Ferne.
    Adrians Mund öffnete sich zu einem verwehenden Schrei. Er wollte auf den Jungen zugehen und ihn von der Straße wegzerren, als die Kiste explodierte. Die Wucht der Detonation riss ihn von den Beinen. Ein wildes, urwelthaftes Brüllen donnerte über ihn hinweg. Es durchdrang jede Faser seines Körpers, schien sie von innen heraus zerreißen und verbrennen zu wollen. Kalte, unmenschliche Augen richteten sich auf ihn. Er sah eine Mähne im heißen Wind wehen und fühlte die Klauen, die sich in sein Fleisch gruben.
    Tyler stürzte mit einem Schrei voller Qual zu Boden und sah die Welt, die sich um ihn drehte. Ihre Farben verwischten zu hellen Schlieren. Er verlor den Halt und rutschte einen endlosen Abhang hinab ...

 
     
     
    Kapitel 2
     
    Ein heftiger Ruck warf Adrian zur Seite. Er stieß mit der verwundeten Schulter gegen eine Metallstrebe und schrie auf.
    Übergangslos war er wach und stemmte sich an einem Haltegriff nach oben. Ein Schwindelgefühl ergriff ihn. Er schloss die Augen und atmete tief durch. Die fremdartigen Bilder erloschen in seinem Bewusstsein. Der Black Hawk hatte eine Schräglage eingenommen und flog in einem leichten Winkel nach unten.
    Tyler aktivierte sein Mikrofon.
    »Was ist los?«, rief er und sah gleichzeitig nach vorne. Doch in der abgedunkelten Kanzel konnte er nur Konturen ausmachen.
    »Wir werden beschossen!«, kam die knappe Antwort.
    Adrians Gedanken überschlugen sich. »Von wem?«, wollte er wissen. Für die MGs auf den Pickups flogen sie viel zu hoch, und hier draußen in der Wildnis dürfte es keine Flakgeschütze geben.
    »Feindlicher Helikopter«, schaltete sich der Copilot dazu. »Keine gültige Kennung. Radarmessung zufolge ein AH-64.«
    Ein Apache? Adrian wusste genau, dass die Somalis nicht über Kampfhubschrauber verfügten. Zumindest gab es keine offiziellen Berichte darüber. Er konnte sich auch nicht vorstellen, dass die USA einen davon in solch einen Krisenherd lieferten.
    Eine Kette heller, kleiner leuchtender Punkte sirrte auf der rechten Seite am Kanzelglas des Black Hawk vorbei. Tyler fluchte. Er warf einen Blick auf seine Wunde. Die Gaze war durch einen dunklen, roten Fleck gezeichnet.
    Er setzte sich an das Funkgerät in der Ladebucht.
    »OC, wir sind unter Beschuss!«, gab er durch. »Erbitte Anweisungen.«
    »Haben das Objekt auf unserer Satellitenortung, Tyler«, kam die Antwort. »Gehen davon aus, dass er Sadiq gehört. Er versucht seit Monaten, über Drittländer an schweres Gerät zu kommen.«
    »An ... Kampfhubschrauber?!«, gab Tyler ungläubig zurück. »Warum wurde ich darüber nicht informiert?«
    »Dazu bestand bei diesem Einsatz keine Veranlassung, wir -«
    Adrian hörte den Rest nicht. Der Black Hawk ging in einen Sturzflug über. Ein klagendes Heulen durchzog die Maschine. Die Rotoren arbeiteten unter der Belastung an ihrem Limit.
    Er hielt sich mit beiden Händen an der Konsole fest und stemmte sich gegen den Anpressdruck.
    »OC, wie sollen wir vorgehen?«, schrie er in sein Bügelmikrofon.
    »Nehmen Sie Kurs West, Richtung Turkanasee. Landen Sie nicht auf unserem Stützpunkt in Nairobi. Ich wiederhole, landen Sie nicht in Nairobi! Wir dürfen keinen Verdacht auf die kenianische Regierung fallen lassen.«
    Tyler hatte im Augenblick andere Befindlichkeiten als die Nöte etwaiger Politiker, doch er verkniff sich eine Bemerkung.
    »Ihre beste Waffe ist Ihre Reichweite«, erklärte die Stimme von OC. »Der Apache kann Ihnen voll aufgetankt maximal einhundert Kilometer in kenianisches Gebiet folgen, dann muss er umkehren.«
    »Verstanden«, gab Adrian kurz angebunden zurück und schaltete den Funk ab. Er hangelte sich zum Cockpit vor und gab die Anweisungen an den Piloten weiter. Dieser sah ihn einen Augenblick lang stumm an und nickte dann.
    Mehrere Einschläge erschütterten den Rumpf. Die Projektile des M230 30mm-Bordgeschützes, mit dem der Apache ausgestattet war, durchschlugen die Hülle des Black Hawk mühelos.
    Im Laderaum blitzte es auf. Eine der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher