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Dunkler Wahn

Dunkler Wahn

Titel: Dunkler Wahn
Autoren: Wulf Dorn
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einem halben Jahr zur Ergreifung eines langgesuchten Drogendealers geführt hatten. Weil er beharrlich war, wenn er eine Story witterte. Das hatte in einem Presseartikel über ihn gestanden – einem Artikel, den ein Konkurrenzblatt über ihn geschrieben hatte.
    Und dass Volker Nowak beharrlich sein konnte, hatte sie heute am eigenen Leib erfahren müssen.
    Urplötzlich war er aufgetaucht und hatte mit ihr reden
wollen – ein scheinbar belangloses Gespräch, aber sie hatte gemerkt, wie er sie dabei taxiert hatte.
    Ja, verdammt, er wusste , wer sie war. Vielleicht war er sich vor diesem Gespräch noch nicht ganz sicher gewesen, vielleicht war er deswegen noch einmal zu ihr gekommen, aber als er wieder gegangen war, hatte er es gewusst . Sie hatte es in seinem Blick gesehen.
    Er hatte sie erkannt, und seither fand sie keine Ruhe mehr. Wenn er zu recherchieren begann …
    Nein, dazu durfte es nicht kommen!
    Lange Zeit hatte sie geglaubt, das, was sie einst getan hatte, sei sicher verborgen, sei ihr wohlgehütetes Geheimnis – aber nun war sie doch entdeckt worden. Ausgerechnet von einem, der seinen Lebensunterhalt damit verdiente, seine neugierige Nase in anderer Leute Angelegenheiten zu stecken.
    Was sollte sie nur tun?
    War dies Gottes Strafe dafür, dass sie ihre Tat nicht bereut hatte? Wollte Gott sie zwingen, ihre Schuld einzugestehen, weil sie es bisher nicht aus freien Stücken getan hatte?
    Gut, einverstanden , dachte sie. Ich bereue es. Ich bereue es sogar sehr. Aber bitte, lieber Gott, gib mir wenigstens noch eine Chance. Nur noch diese eine Chance! Hilf mir, wo ich doch so kurz vor dem Ziel bin.
    Sie musste mit diesem Nowak reden. Sie durfte nicht zulassen, dass er ihr Glück zerstörte. Er musste das einfach verstehen.
    Wenn nicht, dann … dann …
    Erschrocken fuhr sie zusammen. Wieder hatte sie zu seinem Fenster hochgesehen, und nun war das Licht aus.
    O nein!
    Wann hatte er es ausgeschaltet? Sie war so in Gedanken gewesen, dass sie es gar nicht bemerkt hatte.

    Ihr Herz begann wie wild zu hämmern. Sie hätte nicht einmal mit Sicherheit sagen können, wie lange sie nicht aufgepasst hatte. Vielleicht länger, als es ihr vorkam. Das wäre nicht das erste Mal gewesen. Wenn sie aufgeregt war, kam es immer wieder vor, dass sie die Zeit und die Welt um sich herum vergaß. Hatte sie etwa wieder einen ihrer Aussetzer gehabt?
    Lieber Gott, bitte nicht! Bitte, bitte nicht!
    Dann öffnete sich die Haustür, und Volker Nowak trat ins Freie.
    Erleichtert atmete sie auf. Sie hatte ihn nicht verpasst. Er war noch da.
    Danke, lieber Gott!
    Sie zog die Ränder ihrer Kapuze noch weiter ins Gesicht und biss sich auf die Unterlippe.
    Warum zögere ich? Das ist meine Chance. Jetzt muss ich nicht einmal zu ihm in die Wohnung gehen. Er kommt sogar zu mir. Ich muss ihn einfach nur ansprechen.
    Vor Aufregung zitternd, beobachtete sie, wie er den Kragen seiner Jacke hochschlug und um das Haus herum in den Hinterhof lief. Dort parkte sein Wagen, das hatte sie vorher überprüft.
    Wenn sie ihn jetzt noch erwischen wollte, musste sie sich beeilen. Doch das klang einfacher, als es war. Sie hatte Angst, mit ihm zu sprechen. Angst, ihm zu sagen, wer sie wirklich war. Angst, er könnte sie zurückweisen und auf seinem Recht bestehen, die Öffentlichkeit über sie und ihre Tat in Kenntnis zu setzen.
    Aber ich muss es versuchen. Ich muss!
    Sie atmete noch einmal tief durch, dann lief sie los.

3
    Das Old Nick’s war eine der vielen Kneipen, die den Fahlenberger Marktplatz säumten. Früher hatte es hier vor allem Geschäfte gegeben, doch allmählich waren die Läden verschwunden, und die Gebäude hatte man nach und nach zu einer Gastronomiemeile umfunktioniert. Schuld daran waren die großen Supermärkte, die im Industriegebiet am Stadtrand entstanden waren. Niemand ging noch zum Metzger, Bäcker oder Drogisten, wenn man alles in einem haben und noch dazu direkt vor dem Eingang parken konnte.
    Nikolas Mossner war einer der Fahlenberger Geschäftsleute gewesen, die aus dieser Not eine Tugend gemacht hatten. Als er seinen Lebensmittelladen schließen musste, verpachtete er das Gebäude an einen Pizzabäcker und eröffnete im Kellergewölbe des alten Fachwerkbaus ein Pub nach irischem Vorbild. Fortan zapfte er Guinness und Kilkenny, schenkte Whiskey aus und verdiente nicht schlecht damit.
    Für Jan, der Mossner noch aus Kindertagen mit seiner weißen Schürze hinter dem Gemüseregal kannte, war es ein befremdlicher Anblick, »Old Nick«
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