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Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition)

Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition)

Titel: Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition)
Autoren: James Lee Burke
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so schlecht nicht war. Ganz im Gegenteil, die Sache konnte nach wie vor klappen, vorausgesetzt, diese Pfeife, dieser Lucas Smothers, ließ sich auf ein Wettrennen auf der nicht abgesperrten Strecke ein, die von hinten zu den Klippen hinaufführte. Er mußte Lucas nur einen Vorsprung geben und ihn auf das freie Straßenstück fahren lassen, während er die Barriere umkurvte und zum Fuß der Hügels zurückkehrte, so daß man ihm nicht das geringste anhaben konnte, wenn Lucas Smothers feststellte, was es einen kostete, wenn man sich mit dem Falschen anlegte.
    Vielleicht dachte er auch gar nicht daran. Vielleicht bretterte er einfach bergab, genoß den Rausch der Geschwindigkeit, kostete die Kraft seiner Maschine aus, kam sich durch die Drogen, die er zu sich genommen hatte, unendlich stark vor, so als trennten ihn Welten von allen anderen Menschen.
    Darl kurvte um die Absperrung herum, die sein Vater verstellt hatte, wühlte mit dem Hinterrad seiner Harley die Erde auf und knallte gegen das Stahlseil, das in Halshöhe zwischen zwei Kiefernstämmen gespannt war.
    Das Motorrad landete zwischen den Bäumen, wo es ein letztes Mal aufheulte.
    Darl hatte das kaum bleistiftdicke Seil links und rechts so fest an zwei Baumstämmen verankert, daß es aussah, als wachse es waagerecht aus der Borke.
    Er flog rücklings von der Maschine, als ihm das Stahlseil Luftröhre und Halsschlagader durchschnitt, und lag mit aufgerissenem Mund da, so als ob er noch etwas sagen wollte. Als sein Vater ihn fand, taten sich drei verkrüppelte, ausgezehrte Hunde an ihm gütlich, so daß Jack sie mit einem Stock vom Leichnam seines Sohnes wegscheuchen mußte. Der Gerichtsmediziner erklärte später, daß die Hunde tollwütig gewesen seien. Doch als ihn ein Reporter fragte, ob die Tiere Darl aufgespürt hätten, ehe er tot war, verweigerte er jegliche Auskunft.

36
    Als ich an diesem Abend auf der holprigen Straße zur Hart-Ranch fuhr, wußte ich noch nichts von alledem.
    Das Tor zur Ranch stand offen, die mit einem Vorhängeschloß versehene Kette war mit einem Bolzenschneider durchtrennt worden. Ich schaltete die Scheinwerfer aus, fuhr mit dem Avalon quer über die Viehkoppel, parkte in einem Mesquitegehölz und nahm L. Q.s Revolver aus dem Holster. Dann zog ich sechs weitere Patronen aus den Lederschlaufen am Gürtel, steckte sie in die Tasche und trat hinaus in die Dunkelheit. Der schwere Revolver fühlte sich kühl und seltsam an.
    Der Mond stand über den Hügeln, und auf der Lichtung zwischen dem Wald und dem Fluß grasten Hirsche. In der Ferne konnte ich das ausgebrannte viktorianische Haus mit dem eingestürzten Dach, die hölzernen Nebengebäude und die Windmühle erkennen, um die sich Steppenhexen geschlungen hatten.
    Die Umrisse des Hauses zeichneten sich im hellen Lichtschein aus dem Hinterhof ab. Ich rückte entlang des Waldrands vor, scheuchte einen Schwärm Wachteln auf, die in die Dunkelheit davonflatterten. Mitten durch das nach dem Regen fast hüfthoch gewachsene Gras auf der Lichtung zogen sich Reifenspuren, die bei einem im Schatten der Bäume stehenden Spritschlucker aus den siebziger Jahren endeten. Ein weiteres Paar Spuren, die, dem niedergedrückten und in den nassen Boden gewalzten Gras nach zu schließen, frischer waren, führte an dem geparkten Wagen vorbei zur Rückseite des Hauses.
    Ich ging im Schutz der Bäume zu dem Wagen und schaute durch das Fenster. Im Mondschein sah ich die Zündkabel, die unter dem Armaturenbrett hervorhingen. Ein lautes, metallisches Kreischen, so als werde ein an rostigen Nägeln hängendes Brett losgestemmt, ertönte hinter dem Haus.
    Ich ging rechts am Haus vorbei, über einen Seitenhof voller Putzbrocken und zerbrochener Latten, die aussahen, als ob sie von den Wänden gerissen und nach draußen geworfen worden wären. Mitten auf dem Hinterhof stand eine Gaslampe, die einen grellen Lichtschein, heller als eine Leuchtrakete, verbreitete. Neben der Scheune, an die ein Traktorenschuppen angebaut war, parkte ein blauer Kleinbus. Im Schuppen brannte ebenfalls Licht, und durch die schmutzigen Fenster sah ich die Schatten zweier Männer, die im Innern auf und ab gingen.
    Ich überquerte den Hof, achtete darauf, daß ich nicht in den Lichtschein geriet. In der Dunkelheit übersah ich ein mindestens dreißig Zentimeter tiefes Loch im Boden, auf das ich nicht gefaßt war, und verdrehte mir den Knöchel. Ein stechender Schmerz, wie wenn man sich an einer Feuerqualle verbrennt, schoß mir bis ins
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