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Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition)

Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition)

Titel: Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition)
Autoren: James Lee Burke
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Goldzähne, polierte Fingerknochen, leere Patronenhülsen, ein Springmesser mit einer in den Griff eingelassenen grünen Schlange und eine lange, in einen Plastikbeutel eingewickelte schwarze Haarsträhne.
    Unter dem Holzeinsatz befand sich ein dicker Packen pornographischer Fotos, die von einem Gummiband zusammengehalten wurden. Sie waren alt und vergilbt, auf Karton aufgezogen und zeigten Asiaten in allen erdenklichen sexuellen Varianten und Positionen. Doch sie waren nicht das eigentlich Abstoßende und Schockierende. Am Boden des Kästchens lagen farbige Polaroidaufnahmen, bei deren Anblick einem die Augen tränten, die man vor Ekel kaum anfassen mochte: eine frisch ausgehobene Grube, vor der vier Bauern und eine Frau standen, alle gefesselt und mit verbundenen Augen; ein am Boden kniender Mann, die Daumen am Rücken zusammengebunden, dazu eine Hand, die ins Bild ragte und ihm eine Pistole hinters Ohr hielt; ein Mann, der einen Sack mit Schädlingsbekämpfungsmittel über dem Kopf hatte und an den Armen zwischen zwei Steinmauern aufgehängt war; grinsende Soldaten, die sich am Ende einer unbefestigten, mit aufgedunsenen Leichen übersäten Straße in Pose gestellt hatten; eine auf einen Stuhl geschnallte Frau, deren Gesicht und bloßer Oberkörper blutüberströmt waren.
    Unter all diesen Fotos lag eine Spielkarte, auf der das Abzeichen der Texas Rangers prangte. Quer über dem Wappen standen, mit Filzstift geschrieben, das Wort Muerto und das Datum des Tages, an dem ich versehentlich L. Q. Navarro getötet hatte.
    Als ich nach Hause kam, saß Lucas Smothers auf der Treppe zur vorderen Veranda, drehte an den Stimmwirbeln einer Mandoline und schlug Saite für Saite an. Er trug eine gestärkte Khakihose, Cowboystiefel und ein Baumwollhemd mit kurzen, hochgerollten Ärmeln. Die rotblonden Haare waren zurückgekämmt und ringelten sich leicht im Nacken. Er saß im Schatten, wo es kühl war, trank einen Schluck aus einer Limonadendose und lächelte mich an.
    »Ich hab heut abend einen Auftritt mit ner Bluesgrassband in einem Club drüben im Bezirk Llano. Mein Vater hat auch nichts dagegen gehabt«, sagte er.
    »Geh aufs College«, erwiderte ich.
    »Damit ich so werde wie die reichen Kotzbrocken aus dem East End?«
    »Komm mit rein. Ich muß mal telefonieren.«
    Er schaute die Bücher auf den Regalen in der Bibliothek an, während ich Marvin Pomroys Privatnummer wählte.
    »Marvin?« sagte ich.
    »Oje«, erwiderte er, als er meine Stimme erkannte.
    »Felix Ringo hat nicht vor, sich einen mexikanischen Haftbefehl zu besorgen und Moon festzunehmen. Er will ihn beseitigen«, sagte ich.
    »Wie kommen Sie zu dieser plötzlichen Erkenntnis?«
    »Ist es nicht denkbar, daß Ringo jemanden ausschalten will, der gegen ihn aussagen kann?«
    »Ringo ist Polizist. Moon ist ein Irrer.«
    »Ich bin gerade in Ringos Wohnung im Conquistador eingedrungen. Er war drunten in Coahuila Drogendealer.«
    »Sagen Sie das noch mal. Was haben Sie gemacht?«
    »Mein Partner und ich haben ein paar von diesen Typen umgelegt, Marvin. Sein Name war L. Q. Navarro. Er hat jedem toten Drogenhändler, den wir da drunten zurückgelassen haben, eine Spielkarte in den Mund gesteckt. Ringo hat eine dieser Karten in einem Sandelholzkästchen, in dem er seine Trophäen aufbewahrt. Er hat den Todestag meines Freundes draufgeschrieben.«
    »Sie erzählen mir, dem Bezirksstaatsanwalt, daß Sie in die Wohnung eines Polizisten eingebrochen sind?«
    »Fragen Sie Ringo mal, ob er Ihnen seine gesammelten Polaroidbilder über das Leben in den Tropen zeigt.«
    »Lassen Sie das sein, Billy Bob.«
    »Moon hat meinen Vater umgebracht.«
    Ungläubig wiederholte er meine Worte. Als ich nichts erwiderte, sagte er: »Ist Ihnen klar, was Sie mir da gerade mitgeteilt haben? Falls dieser Kerl tot aufgefunden wird ...«
    »Halten Sie sich ran, Marvin«, sagte ich und legte den Hörer leise auf.
    Lucas stand mit offenem Mund vor dem Bücherregal und hatte Urgroßpapa Sams Tagebuch aufgeschlagen.
    »Was ist los, mein Guter?« fragte ich.
    Er blinzelte, schlug dann das Tagebuch zu.
    »Moon hat Ihren Vater umgebracht?« fragte er.
    »Ja, ich glaube schon.«
    »Was haben Sie mit ihm vor?«
    »Dieses Tagebuch hat mein Urgroßvater geführt. Er war ein Säufer und Revolverheld, der später Wanderprediger auf dem Chisholm Trail wurde. Es hat lange gedauert, aber er hat gelernt, auf jede Gewalt zu verzichten.«
    »Was passiert, wenn die andre Seite nicht darauf verzichtet?«
    »Meinst du
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