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Dunkler Schnee (German Edition)

Dunkler Schnee (German Edition)

Titel: Dunkler Schnee (German Edition)
Autoren: Barbara Klein
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ihre Partnerschaft vor Georg geheim zu halten. Marisa gefiel dieser Zustand schon lange nicht mehr; sie wollte nicht mehr so tun, als wäre Laurens nur ein Kollege.
    Sie hatte Laurens nie von ihrer kurzen Affäre mit Georg erzählt. Eigentlich war es mehr ein Ausrutscher als eine Affäre gewesen. Während eines Lehrganges in der Eifel hatte sie Georg kennengelernt. Er war damals einer der Ausbilder. Ohne zu ahnen, dass sie eines Tages einmal miteinander arbeiten würden, hatte Marisa sich auf einen Flirt mit dem um einige Jahre älteren Georg eingelassen. Es war der letzte Abend, die Stimmung ausgelassen, Wein und Bier in Massen getrunken, man war schließlich im selben Bett gelandet. Für Marisa eine einmalige Angelegenheit, Georg jedoch hatte durchblicken lassen, dass er das Beisammensein mit ihr gerne wiederholen würde. Bei Tageslicht und gesunkenem Alkoholpegel hatte der reife, erfahrene Ausbilder jedoch mehr einer Karikatur seiner selbst geglichen; Marisa hatte ihn abgeblockt, ein wenig zu brüsk vielleicht und ohne einen Zweifel an ihrer Entscheidung. Es mochte ihn verletzt haben, trotzdem hatte er sie drei Monate später eingestellt. Die Nacht in der Eifel war im Kästchen der Erinnerungen verschwunden.
    Die Arbeit in Georgs Praxis war in Ordnung. Georg war der neue Inhaber, beworben hatte sich Marisa bei dessen Vorgänger. Sie hatte gedacht, es werde schon gehen, einen anderen Job könne sie sich immer noch suchen. Die Jahre vergingen, Marisa fühlte sich wohl im Team und hatte das Vorhaben, eine andere Stelle zu suchen, auf die Wartebank geschoben. Und dann war Laurens auf der Bildfläche erschienen. Ich bleibe, dachte Marisa jeden Tag, obwohl ihr der flatterhafte Georg mit seinen unterschiedlichen Gemütslagen manchmal auf die Nerven ging. Es fügte sich jedoch alles gut; Georg hatte verschiedene Beziehungen mit verschiedenen Mitarbeiterinnen. Manche gingen, manche blieben. Was für die Angestellten galt, war für den Chef nicht bindend. Er nahm sich, was sich ihm bot, genoss sein Leben und seine Stellung auf ostentative Art. Und in Marisas Leben hatte Laurens einen verbindlichen Platz eingenommen. Groß und sportlich mit seinem goldenen Bürstenschnitt. Ein wenig kantig im Umgang, doch nach und nach wurde er weich und biegsam, und Marisa hatte schon früh tief in ihrem Inneren gefühlt, dass da mehr möglich war als eine nette Bettgeschichte.
    Für Georgs Geschäft war Laurens ein Segen. Die Gerüchte, die Praxis stünde am Existenzminimum, machten seit den Einbußen durch die Gesundheitsreform immer wieder die Runde, doch wegen Georgs sprudelnder Ideen nahm niemand sie ernst. Doch dann war das Team um eine noch in der Probezeit befindliche Mitarbeiterin verkleinert worden; eine weitere Stelle war frei geworden durch einen ausscheidenden Masseur, der sich in Bonn selbstständig machen wollte, und kein Nachfolger wurde engagiert. Das hatte für erste Diskussionen gesorgt. Weitere Gesprächsrunden zwischen Tür und Angel und nach Dienstschluss waren gefolgt, weil Georg deutlich hatte durchblicken lassen, warum er die männlichen Therapeuten den weiblichen Patientinnen zuwies und umgekehrt.
    Marisa fand es abscheulich, die Erfolgsgarantie von den niederen Instinkten der Patienten abhängig zu machen. Laurens hatte schnell erklärt, er hätte mit dieser Art der Prostitution kein Problem. Auf sein strahlendes Lächeln und seine sanften Hände war er stolz. „Warum soll ich den Frauen nicht gönnen, Phantasien zu haben?“, pflegte er zu sagen. Diese Rechnung ging auf. Laurens’ Terminplan sowie die seiner männlichen Kollegen waren immer voll. Georg Müller war zwar ebenfalls Therapeut, aber er legte am meisten Wert auf einen therapierten Geldbeutel. Den bekam er, wenn die Kundschaft zufrieden war, und zufrieden waren die Leute, wenn sie sich wohl behütet und geschmeichelt fühlten. Seine Angestellten verschafften ihm wieder den Luxus, sich hinter seinem Schreibtisch verschanzen zu können und sich auf die Büroarbeiten zu fokussieren, genauso wie auf seine weiblichen Mitarbeiter. Dass es phasenweise recht ruhig um dessen amouröse Eskapaden war, registrierten alle mit Genugtuung. Die Gerüchte um die schlecht gehende Praxis ließen nach, und die Stimmung wurde wieder gut. Georg musste nicht selber Hand an die Patienten legen; er stieß mit seinem Raucheratem sowieso nicht selten auf Ablehnung, konnte sich das Paffen seiner Zigarillos aber weiterhin leisten, wenn der Laden lief.
    Die zufriedenen Patienten
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