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Dunkler Schnee (German Edition)

Dunkler Schnee (German Edition)

Titel: Dunkler Schnee (German Edition)
Autoren: Barbara Klein
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allmählich merkt sie, wie sich eine leichte Entspannung im Schulterbereich entwickelt. Obwohl sie immer noch nicht ausgeschlafen ist, fühlt sie schon jetzt die wohltuende Wirkung dieser Winterlandschaft wie eine Bestätigung für ihren Entschluss, hierhergekommen zu sein. Weit weg von allem. Weit weg von der Vergangenheit, vom Schmerz, der in zahlreichen Momenten noch so nah ist.
    Sie horcht auf; da ist wieder das Motorengeräusch. Bruno apportiert einen Stock, den er ausgegraben hat. Marisa bückt sich, wirft ihn, wiederholt auf einer Lichtung das Spiel mit dem Hund, bis sie außer Atem ist.
    Da bricht durch die weiß verhangenen Sträucher ein Schuss. Der Geschossknall lässt Schnee von den Zweigen stäuben …

2. Eineinhalb Jahre zuvor
    „Marisa, komm ins Wasser! Es ist super!“ Laurens tauchte unter, kam wieder hoch, nahm den Mund voll Wasser und versuchte es im Bogen wieder auszuspucken, als wäre er eine Comicfigur. Er schwamm auf dem Rücken, kraulte ein paar Meter, drehte sich zum Brustschwimmen um, tauchte wieder, prustete beim Auftauchen und winkte Marisa zu, die langsam die Wiese herunterkam. „Komm endlich!“ Laurens schickte sich an, weiter hinauszuschwimmen.
    Marisa war mit ihrem Freund seit einer Woche in Kanada, und endlich war die bleierne Schwüle, die die Urlauber schon seit der Ankunft umklammert hatte, in einen klaren Sommertag übergegangen, hatte der trockenen Hitze wenigstens für eine Weile das Zepter übergeben. Die Bäume wiegten sich leicht im Wind und schienen die zunehmende Lebhaftigkeit rund um den See mit einem Seufzen hinzunehmen. Der Grand Lake lud zum Schwimmen ein, was, an den vielen Stegen und Plattformen mitten im Gewässer leicht zu erkennen, von den See-Anwohnern reichlich genutzt wurde. Am Ufersaum, hier wie dort, stiegen vereinzelt dünne Rauchsäulen, bisweilen auch dicke Rauchschwaden von den Barbecue-Grills auf. Gegenüber, rund 300 Meter entfernt, planschten Familien im Wasser, ein paar Boote zogen mit gleichmäßigem Brummen ihre Runden, es waren einzelne Rufe, mal ein Lachen, mal das Bellen eines Hundes zu hören, und überall war die Entspannung eines Ferientages zu spüren.
    Marisa zog ihren Pareo von den Hüften, ließ ihn auf die Wiese fallen und schritt, nur noch mit einem Bikini bekleidet, vorsichtig über Wurzeln und Steine zum Ufer hinab. Sie betrat den Steg, setzte sich und ließ die Beine ins Wasser baumeln.
    „He, komm endlich rein!“, rief Laurens, der schon wieder am Steg war. Marisa lächelte über das Bild, das Laurens ihr bot: Ein großer Junge planscht selig im Wasser.
    „Kannst du dir vorstellen, dass hier vielleicht mal Indianer Rast gemacht haben? Vielleicht genau hier, wo wir jetzt sind.“ Marisa sah sich um, nahm die Uferlinie wie eine Skizze in ihr Urlaubsgedächtnis auf und versuchte sich ein inneres Bild von den Mi’kmaq-Indianern zu machen. Laurens’ Stirn zeigte ein paar Fältchen. „Was für Indianer?“
    „Mi’kmaq heißen die Ureinwohner des südöstlichen Kanadas. Es gibt sie auch heute noch; sieben Stammesgruppen, soweit ich weiß.“
    „Ja, ja, die Mickeys“, scherzte Laurens und umfasste Marisas Unterschenkel. Lachend ließ auch sie sich ins Wasser gleiten.
    „Wir können ja mal schauen, ob wir auf einem Ausflug was über die Indianer erfahren können. Da gibt es, glaub ich, einen Ort …“ Sie kam nicht dazu weiterzusprechen, denn Laurens drückte ihr einen nassen Kuss auf den Mund. „Ich bin hier, um mich zu erholen, Süße.“
    „Du Kulturbanause! Wenn wir schon mal auf diesem Kontinent sind, können wir doch auch …“
    „Heirate mich!“, unterbrach Laurens sie und umfing die schlanke Gestalt seiner Freundin. Marisa stockte für einen Moment der Atem.
    „Was?“, brachte sie endlich heraus und ärgerte sich im selben Augenblick, nichts Gescheiteres zu sagen zu haben.
    „Heirate mich!“, wiederholte Laurens und strahlte sie an.
    Marisa war perplex; damit hatte sie überhaupt nicht gerechnet. Ihre Gefühle und Gedanken stolperten Momente lang übereinander, sie wusste nichts zu erwidern, doch sie merkte, wie ansteckend Laurens’ Lachen und Optimismus waren. Mit aufgesetztem Stirnrunzeln fragte sie: „Meinst du, dass wir uns schon lange genug kennen?“
    „Ein Jahr ist lang genug. Du liebst mich, und ich liebe dich. Was willst du mehr?“
    „Das kommt so überraschend“, sagte Marisa und wurde für einen Augenblick ernst; sie versuchte angestrengt, ihre Gefühle zu bestimmen, doch es wollte sich auf die
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