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Dunkle Umarmung

Dunkle Umarmung

Titel: Dunkle Umarmung
Autoren: V.C. Andrews
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Einband mit den vergoldeten Kanten faßte sich zu schön an, und ganz besonders begeisterte es mich, meinen Namen gedruckt zu sehen, wie einen Buchtitel: LEIGHS BUCH.
    Ich sah freudig auf. Daddy hatte bereits seinen dunkelgrauen Anzug mit Weste und Krawatte an, und er stand lächelnd da, so wie er üblicherweise dastand: Er hatte die Hände hinter dem Rücken verschränkt und wippte auf den Fersen wie ein alter Kapitän. Gewöhnlich brachte Mama ihn davon ab, denn sie behauptete, es machte sie nervös. Da Daddy der Besitzer einer großen Reederei für luxuriöse Ozeandampfer war und so oft an Bord des einen oder anderen Schiffes weilte, sagte er, er verbrächte mehr Zeit auf dem Wasser als auf dem Land, und daher sei er es gewohnt zu wippen.
    »Was ist das?« fragte Mama, als ich den Einband aufschlug und eine leere Seite nach der anderen durchblätterte.
    »Ich bezeichne es als Logbuch«, sagte Daddy und zwinkerte mir zu. »Das Logbuch eines Kapitäns, in dem man größere Ereignisse festhält. Erinnerungen sind kostbarer als Juwelen.«
    »Das ist nichts weiter als ein Tagebuch«, meinte Mama kopfschüttelnd. »Logbuch, also so was. Sie ist ein kleines Mädchen und kein Seemann.«
    Daddy zwinkerte mir wieder zu. Mama hatte mir so viele sehr kostspielige Dinge gekauft, daß ich ihnen mehr Beachtung hätte schenken sollen – das wußte ich, aber ich preßte das Buch, das den Titel LEIGHS BUCH trug, an mein Herz und sprang schnell auf, um Daddy zum Dank einen Kuß zu geben.
    Er kniete sich hin, und ich küßte ihn auf seine rosige Wange direkt über dem grauen Bart, und seine schimmernden rostbraunen Augen leuchteten. Mama behauptete, Daddy sei so oft auf einem seiner Schiffe oder auf dem Meer, daß seine Haut salzig schmecke, aber ich konnte das nie feststellen, wenn ich ihm einen Kuß gab.
    »Danke, Daddy«, flüsterte ich. »Ich werde ganz viel über dich schreiben.«
    Es gab so vieles aufzuschreiben, so viele intime und kostbare Gedanken, daß ich es kaum abwarten konnte, damit anzufangen.
    Aber Mama war gespannt darauf, was ich zu den anderen Geschenken sagte. Es waren ein Dutzend Kaschmirpullover in allen erdenklichen Rosa-, Blau- und Grüntönen, und zu jedem gehörte ein passender Rock, der so schmal wie ein Bleistift war. Mama sagte, solche Röcke trügen jetzt alle, obwohl sie so eng waren, daß man nicht schnell darin laufen konnte. In anderen Päckchen waren Seidenblusen, goldene Ohrringe und ein passendes Armband von Tiffany, das mit Diamantsplittern übersät war, Parfüm von Chanel und Duftseifen und ein Kamm und eine Bürste mit Perlmuttgriff.
    Und ein Lippenstift! Endlich konnte ich Lippenstift tragen, wenn auch natürlich nur unauffällig und nur zu besonderen Gelegenheiten. Aber ich hatte einen eigenen, ganz für mich allein. Mama hatte mir immer versprochen, mir zu zeigen, wie man sich richtig schminkte, wenn es an der Zeit war.
    Ein Päckchen war dabei, von dem sie sagte, ich dürfte es jetzt nicht öffnen. Damit müßte ich warten, wenn wir allein wären.
    »Das ist Mädchensache«, sagte sie und warf einen Blick auf meinen Vater. Sie fand es schrecklich von ihm, daß er am Morgen meines Geburtstages ins Büro ging, aber er sagte, er könnte den Rest des Tages mit mir verbringen und Mama und mich dann zum Abendessen ausführen, daher verzieh ich ihm.
    In dieser Zeit mußte er immer mit irgendwelchen Krisen fertig werden. Er schob es auf die Düsenflugzeuge, die jetzt den Linienluftverkehr aufgenommen hatten und den Luxusdampfern immer mehr Konkurrenz machten. Mama hatte schon immer kritisiert, daß er zuviel Zeit in seine Arbeit steckte, und all das ließ es nur noch schlimmer werden.
    Wir hatten zwar schon viele Schiffsreisen unternommen, aber sie behauptete, wir seien wie Schuster ohne Schuhe, weil wir nicht die Reisen machten, die sie gern unternommen hätte.
    »Mein Mann ist in der Reisebranche tätig, und wir machen selten Urlaubsreisen. Wir müssen neue Reiserouten oder neue Schiffe testen, statt Reisen zu genießen, wie es sein sollte«, klagte sie manchmal erbittert.
    Ich wußte, daß das letzte große Päckchen etwas mit alldem zu tun hatte, denn Mama hatte gesagt, sie hätte den Inhalt in der Hoffnung gekauft, ich bekäme Gelegenheit, ihn zu benutzen, und dann hatte sie Daddy finster angesehen und gesagt: »Ich hatte immer noch keine Gelegenheit, meine zu benutzen.«
    Ich riß eilig das Paket auf und öffnete die Schachtel. Es war eine Skiausrüstung: ein dicker Kaschmirpullover und
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