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Dunkle Tage, helles Leben - Best Love Rosie

Titel: Dunkle Tage, helles Leben - Best Love Rosie
Autoren: Nuala O'Faolain
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während sie darauf wartete, dass er es abtrocknete, und sie, die sonst immer so misstrauisch und schroff war, ließ das alles widerspruchslos mit sich geschehen, mit geschlossenen Augen. Sie gab sich seiner Fürsorge hin, wie ein Seevogel, der sich sanft auf der Wasseroberfläche niederlässt.
    Vielleicht schaute sie jetzt auch mich mit diesem Gesichtsausdruck an. Vielleicht machte sie mir dieses Geschenk.
    Ich würde mir den Pauschalbetrag auszahlen lassen.
     
    Am Ende des Sommers ging ich nach Irland zurück, und die ersten zwei, drei Monate saß ich eigentlich nur an dem alten Küchentisch. Viel mehr tat ich nicht. Es war, als hätte ich den Märchenwald betreten, der das Schloss umgab, in dem die Prinzessin schlief. In diesem Wald rührte sich kein Blatt, kein Vogel sang dort. Meine Gedanken bewegten sich langsam – das ist es doch, was du wolltest, sagte ich zu mir selbst, nun hast du es bekommen. Und was machst du jetzt damit? Ich fühlte mich wie abgetrennt von meiner bisherigen Lebenserfahrung. Alles, was ich in den letzten dreißig Jahren gesehen und gelernt hatte, als ich überall auf dem Globus gelebt, geliebt und gearbeitet hatte, schien seit meiner Rückkehr nach Irland absolut irrelevant zu sein.
    Hier passierte nichts. Wenn die Katze Bell ein paar Zentimeter vor meiner Nase über den Tisch spazierte, um vom Fenster zur Treppe und dann zu Min in den ersten Stock hinaufzugelangen, konnte man diesen Vorgang schon fast als Ereignis bezeichnen. Auf dem Weg nach draußen kam sie dann wieder bei mir vorbei. Gelegentlich ließ sie sich sogar dazu herab zu miauen, wenn sie mir zum Beispiel zu verstehen geben wollte, dass sie ihr Abendessen wünschte. Ich hatte jede Menge Zeit, darüber nachzudenken, ob Bell mich verabscheute oder ob unser Verhältnis vielleicht
doch etwas komplexer war. Sie hätte ja auch eine andere Strecke nehmen und an der Wand entlangschleichen können.
    »Ich weiß immer, wo du zu finden bist, Rosie«, sagte Andy Sutton, und weil Andy so war, wie er war, sagte er das jedes Mal, wenn er vorbeikam. Andy gehörte zur selben Generation wie ich und meine Freundinnen Peg und Tess (Tess war sogar seine Cousine), aber er wirkte wesentlich älter, weil er auf uns alle aufpasste. Andy lebte auf dem Land. Er arbeitete für eine Wohltätigkeitsorganisation namens NoNeed , und im Sommer sammelte er überall in Irland Ziegen, Hühner, Kaninchen und Schweine ein und transportierte ganze Lastwagen mit diesen Tieren nach England, zum Flughafen Gatwick. Von dort wurden sie dann in Gegenden auf der Welt gebracht, in denen große Armut herrschte und die Menschen aufgrund der geografischen und klimatischen Bedingungen nur mit kleinen Nutztieren etwas anfangen konnten. Während der übrigen Monate des Jahres fanden in der Zentrale von NoNeed regelmäßig Sitzungen statt, an denen Andy teilnahm. Dann kam er hierher und wohnte bei seiner Mutter Pearl in Kilbride, nur ein paar Straßen von Min entfernt.
    Seine Besuche verliefen immer nach dem gleichen Muster. Er kam zur Haustür herein und steckte den Kopf in die Küche.
    »Schläft Min?«, flüsterte er.
    Und ich flüsterte zurück: »Ja, sie schläft – oder sie tut wenigstens so.«
    »Stehst du eigentlich nie von diesem Tisch auf?«, fragte er dann und ging nach hinten in den Abstellraum, um den Thermostat am Boiler zu überprüfen oder um eine Leiter zu holen, weil er eine kaputte Glühbirne auswechseln musste. Oder er brachte ein Bündel Feuerholz von den Bäumen auf seinem kleinen Bauernhof mit.
    Meine Tante oben merkte meistens sehr schnell, dass jemand da war, und wenig später hörte man durch die Decke, wie aus
ihrem Transistorradio lebhafte Stimmen kamen oder liebliche Melodien – sobald gesungen wurde, drehte sie die Lautstärke auf. Das war für uns das Signal, dass wir in der Küche wieder normal reden konnten.
    Ansonsten wurde meine Ruhe nur unterbrochen, wenn nebenan Tanzmusik erklang – dann wusste ich, dass Reeny aus Spanien zurück war und gleich bei uns vorbeischauen würde, braun gebrannt und gut gelaunt, bepackt mit Schinken oder Pfirsichen oder Pralinen – jedenfalls mit irgendwelchen Geschenken, die keinen Alkohol enthielten. Hin und wieder kam auch der Typ vorbei, der den alten Leuten zu Hause die Haare schnitt. Dann überließ ich ihm den Küchentisch. Und alle zwei Wochen begab ich mich taktvoll in die Bibliothek, weil die Psychologin und ihre Assistentin, eine Art Krankenschwester, kamen, um mit Min zu reden. Das gehörte zu
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