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Dunkle Sehnsucht

Dunkle Sehnsucht

Titel: Dunkle Sehnsucht
Autoren: Jeaniene Frost
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haben, noch da sind.«
    Mitgefühl kam in mir auf und ließ die in meinem Kopf vor sich hinmaulenden Stimmen in den Hintergrund treten. Ed und Scratch taten ihr Bestes, um in einer Welt, die sie praktisch wie Bürger zweiter Klasse behandelte, für ihre Freunde da zu sein. Ich wusste aus Erfahrung, wie schlimm es war, niemanden zu haben, der einem den Rücken stärk-te, während die Monster um einen herumstrichen. Genau genommen waren Ed und Scratch natürlich auch Monster.
    Wie ich selbst. Was in diesem Fall ein Vorteil war.
    Bones sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an.
    »Packen wir's an«, beantwortete ich seine unausgespro-chene Frage.
    Er erhob sich, ließ mit einer schnellen, geübten Bewegung die Fingerknöchel knacken und warf ein paar Scheine auf den Tisch.
    »Also schön, Leute. Sehen wir nach, ob Shaynes Handy bloß keinen Saft mehr hat.«
    Wie Ed gesagt hatte, war Harris' Wohnung nur zwanzig Minuten entfernt. Ich fand es ironisch, dass sie nur etwa anderthalb Kilometer entfernt von dem Apartmentkomplex lag, in dem ich gewohnt hatte, als ich - wie es mir schien in einem anderen Leben - an die OSU gegangen war. Falls Bones die Nähe zu meiner alten Wohnung auffiel, sagte er nichts dazu. Sein Interesse schien eher dem Gebäude zu gelten, in dessen Inneren er etwaige gefährliche Schwingungen zu erspüren versuchte. Fabian als Kundschafter vorzuschi-cken, konnten wir nicht riskieren. Der Geist war von Ed und Scratch unbemerkt in den Kofferraum unseres Wagens ge-huscht, aber hätten wir ihn jetzt vorgeschickt, wären die beiden definitiv auf ihn aufmerksam geworden.
    Prickelnde Energie erfüllte die Atmosphäre auf dem schmalen Parkplatz hinter uns. Ed und Scratch fuhren herum, aber Bones zuckte nicht mit der Wimper. Das waren Tiny und Band-Aid, unsere Verstärkung, die uns vom Einkaufszentrum aus gefolgt war.
    »Tiny, Band-Aid, behaltet die beiden kurz im Auge, ja?«, wies Bones sie an, bevor er sich dem Gebäudekomplex nä-
    herte. Während ich ihm folgte, streifte ich mir meinen langen Ledermantel über. Nicht, weil mir kalt war; es war ein warmer Spätsommertag, aber mein Mantel beherbergte ein kiloschweres Arsenal an Silbermessern. Unter meiner Bluse hatte ich natürlich auch welche, aber bei denen handelte es sich um kürzere Wurfmesser für Vampire. Ghule konnte man nur durch Enthauptung töten, was bedeutete, dass ich größe-re Kaliber brauchte, falls wir da drinnen von irgendwelchen übel gesinnten Angehörigen dieser Spezies erwartet wurden.
    Als wir im ersten Stock angekommen waren, witterte Bones. Ich ebenfalls. Die Eingangstüren der Wohnungen lagen alle nebeneinander in Richtung Parkplatz, sodass die frische Luft verräterische Gerüche der Bewohner größtenteils verwehte, aber aus der vorletzten Wohnung drang ein leichtes, nicht menschliches Aroma zu mir. Bones hatte es wohl ebenfalls erschnuppert, denn seine Schritte beschleunigten sich. Als wir fast bei der Tür angekommen waren, sog ich noch einmal die Luft ein und zog die Nase kraus. Bones blieb stehen und warf mir einen grimmigen Blick zu.
    Die Rollos waren komplett heruntergelassen, sodass wir nicht sehen konnten, was drinnen vor sich ging, aber ich wusste bereits, was uns erwartete. Der Geruch des Todes war unverkennbar.
    »Wir sind zu spät«, flüsterte ich. Das aufgebrochene Türschloss brauchte ich eigentlich gar nicht mehr zu sehen.
    Bones stieß die Tür auf und trat sofort zur Seite, falls ihn jemand mit einem blitzenden Silbermesser begrüßen wollte. Aber nichts regte sich. In der Wohnung war es still wie in einer Gruft.
    Und genau wie in einer Gruft lagen Leichen darin.

    »Ich spüre niemanden, aber halte die Augen auf«, sagte Bones, als er eintrat. Ich folgte ihm, sah erst in den Ecken nach und machte dann gemeinsam mit Bones einen Rund-gang durch die gesamte Wohnung, wobei wir so vorsichtig waren, als wüssten wir, dass feindliche Truppen dort lauerten. Wie wir bereits vermutet hatten, war aber außer uns -
    und zwei verschrumpelten Vampiren auf dem Boden des winzigen Wohnzimmers - niemand anwesend.
    Die verdammten Stimmen in meinem Kopf wurden wieder lauter. Der Apartmentkomplex war nicht so überfüllt wie die Mall, also sprengte mir der Lärm nicht den Schädel, aber es war, als surrte ein aufgebrachter Bienenschwarm in meinem Kopf. Ich rieb mir die Schläfe, als könnte das die Geräusche dämpfen, aber natürlich half es nicht.
    Bones entging die Geste. Seine Aufmerksamkeit war noch auf die beiden schrumpligen
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