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Dunkle Herzen

Dunkle Herzen

Titel: Dunkle Herzen
Autoren: Nora Roberts
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an Buds Streifenwagen vorbei, winkte, hielt an und stieg ab, als sich Bud aus dem Fenster lehnte.
    »Wo ist denn Mick?«
    »Der überwacht die Suche auf der anderen Seite vom Gossard Creak.« Bud wischte sich mit seinem Taschentuch über die schweißfeuchte Stirn. »Vor zwanzig Minuten hatten wir noch Funkkontakt.«
    »Seid ihr mit den Hausdurchsuchungen fertig?«
    »Ja. Ohne Erfolg, tut mir leid, Cam.«
    Cam schaute über ein Maisfeld. Ein Hitzeschleier waberte wie Nebel darüber hinweg. »Kennst du diesen Jungen, Ernie Butts?«
    »Klar.«
    »Was für ein Auto fährt er?«
    »Einen roten Toyota-Pickup. Warum?«
    Cam blickte Bud fest an. Er brauchte eine Vertrauensperson. »Ich möchte, daß du nach ihm Ausschau hältst.«
    »Hat er was angestellt?«
    »Ich weiß es noch nicht. Wenn du ihn siehst, halt ihn
nicht an. Schau, was er macht, aber halte ihn nicht an, sondern verständige mich sofort. Und nur mich, Bud.«
    »Geht klar, Sheriff.«
    »Ich hab’ noch was zu erledigen.« Cam schaute hoch zum Himmel. Es mochte ja der längste Tag des Jahres sein, aber auch der dauerte nicht ewig.
     
    Als Cam erneut vor Annies Wohnwagen parkte, versuchte Clare gerade, sich durch den dichten Nebel durchzukämpfen, den die Droge über ihren Verstand gedeckt hatte. Im Geiste rezitierte sie Gedichte, sang alte Beatles-Songs oder versuchte, sich an Kinderreime zu erinnern. Es war so furchtbar heiß und stickig in dem Raum – wie in einem Sarg. Aber nein, in einem Sarg mußte es kalt sein, dachte sie benommen, und was sie anging, so hatte sie ihre Laken bereits durchgeschwitzt.
    Sie war sich nicht sicher, wie lange sie es noch ertragen konnte, im ewigen Dunkel zu liegen. Wieviel Zeit war inzwischen verstrichen? Ein Tag, eine Woche, ein Monat?
    Warum kam denn niemand?
    Man wurde nach ihr suchen. Cam, ihre Freunde, ihre Familie. Sie würden sie nicht im Stich lassen. Seit der Nacht, in der man sie hierhergebracht hatte, hatte sie außer Dr. Crampton niemanden zu Gesicht bekommen, und sie hätte noch nicht einmal sagen können, wie oft er an ihrem Bett gesessen und ein Betäubungsmittel in ihre Adern gejagt hatte.
    Sie fürchtete nicht nur um ihr Leben, sondern auch um ihren Verstand. Mittlerweile war sie sich darüber im klaren, daß ihre Kräfte nicht mehr ausreichten, um sich gegen ihre Gegner zur Wehr zu setzen, egal was sie ihr auch antun mochten. Aber sie hatte furchtbare Angst, vorher den Verstand zu verlieren.
    Allein. Im Dunkeln.
    In ihren lichteren Momenten malte sie sich aus, wie sie fliehen, die ganze Gruppe auffliegen lassen und den Namen ihres Vaters reinwaschen würde. Aber die Stunden rannen in dieser schrecklichen, dunklen Stille träge dahin,
und ihre Pläne verwandelten sich in unzusammenhängende Gebete. Sie flehte, daß jemand, egal wer, kommen und sie befreien möge.
    Zu guter Letzt war es Atherton, der zu ihr kam, und als sie aufblickte und ihn sah, da wußte sie, daß sie keine weitere Nacht mehr hier im Dunkeln verbringen würde. Dies war die kürzeste Nacht des Jahres. Für jedermann.
    »Es ist Zeit«, sagte Atherton sanft. »Wir müssen noch gewisse Vorbereitungen treffen.«
     
    Sie war seine letzte Hoffnung. Cam wartete vor dem leeren Wohnwagen. All seine Hoffnung konzentrierte sich auf die Möglichkeit, daß Crazy Annie etwas wußte. Und daß sie, sollte sie etwas wissen, sich auch daran erinnerte.
    Es war ein pures Glücksspiel, und er würde keine zweite Chance bekommen.
    Alles war letztendlich auf sie beide hinausgelaufen, auf ihn und auf eine sechzigjährige Frau mit dem Verstand eines achtjährigen Kindes. Sie hatten bei weitem nicht soviel Hilfe von außerhalb erhalten, wie Cam es sich erhofft hatte, da er seinen Verdacht, daß es sich bei den Todesfällen um Ritualmorde handelte, nicht beweisen konnte. Er hatte lediglich beweisen können, daß Carly Jamison in einem Schuppen festgehalten, ermordet, begraben und wieder exhumiert worden war, um schließlich in einer Heuwiese aufgefunden zu werden. Die Tatsache, daß der Tote, der sie angeblich auf dem Gewissen hatte, noch Komplizen gehabt haben mußte, bewies noch lange nicht, daß in der Gegend eine mordlüsterne Sekte ihr Unwesen trieb – jedenfalls nicht in den Augen der Staatspolizei. Sie hatten Männer und Hubschrauber zur Verfügung gestellt, um die Suche nach Clare voranzutreiben, aber auch sie hatten nichts erreichen können.
    Die Zeit lief ihm davon, das wußte er. Je tiefer die Sonne am Himmel sank, desto stärker fror er innerlich, bis
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