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Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel

Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel

Titel: Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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»Und jetzt schlafen Sie. Ansonsten wirkt sich das auf mein Honorar aus ~ und zwar zu meinen Ungunsten. Denn Gesprächstherapie wird normalerweise nicht von der Krankenkasse übernommen.«
    »Gerade sollte ich noch unter allen Umständen wach bleiben«, beschwerte sich Jan. Genauer gesagt wollte er sich beschweren, brachte aber kaum noch mehr als ein hilfloses Flüstern zustande. Was, zum Teufel, hatten sie ihm gegeben?
    »Gerade waren Sie mir ja auch noch nicht hilflos ausgeliefert«, antwortete Mertens fröhlich. »Und jetzt versuchen Sie zu schlafen. Wenn es Sie beruhigt: Ich glaube nicht, daß Sie in ernsthafter Gefahr sind. Aber man kann nie wissen ~« Er wollte es nicht ~ Jan konnte genau erkennen, wie sehr er sich gegen die Bewegung zu sträuben versuchte ~, aber wie unter Zwang drehte er langsam den Kopf und blickte zum Fußende der Trage. Er sah irritiert aus. Als sähe er etwas, von dem er so genau wüßte, daß es unmöglich war, daß er es einfach nicht zur Kenntnis nahm, gleich, ob er es nun sah oder nicht.
    »Aber das ~ will ich nicht«, nuschelte Jan. Er war so matt, daß er nicht einmal mehr die Kraft hatte, ebenfalls den Kopf zu drehen, um sich davon zu überzeugen, ob der Schatten noch da war oder nicht. Wozu auch. Er wußte ja, daß er es war.
    »Zur Kenntnis genommen«, sagte Mertens. »Und jetzt schlafen Sie.«
    Jan schlief ein.
     
    Er erwachte, von mehreren, unterschiedlichen Empfindungen erfüllt, die jedoch alle eines gemein hatten: Sie waren durchweg unangenehm.
    Da war – das war das erste, was ihm klar wurde, noch bevor er die Augen öffnete und aus dem Gefühl Gewißheit wurde – zum einen das unangenehme Gefühl, sich im Krankenhaus zu befinden. Er haßte Krankenhäuser, obwohl er bisher noch niemals als Patient in einer Klinik gewesen war. Dafür aber um so öfter als Besucher. Sein Vater hatte seine letzten zwei Lebensjahre überwiegend in verschiedenen Krankenhäusern verbracht, bevor er vor fünf Jahren starb. Und da Jan ein verantwortungsvoller Sohn war, hatte er ihn oft besucht – am Anfang, weil er es wirklich wollte, später mehr aus einer Art Pflichtgefühl heraus, von dem er immer weniger sicher gewesen war, ob er es überhaupt empfand oder einfach so tat , weil es sich so gehörte . Ein Jahr später war seine Mutter gestorben, nicht ganz so würdelos und qualvoll wie sein Vater, aber langsam genug, um ihm weitere sechs Monate zu bescheren, in denen er vier von sieben Abenden in der Woche im Krankenhaus verbrachte. Und schließlich Katrins Unfall im vergangenen Herbst. Er hatte nur für drei Wochen gereicht, aber ihm waren diese drei Wochen fast länger vorgekommen als die zwei Jahre, die er am Krankenbett seines Vaters verbracht hatte.
    Seither hatte Jan die Schnauze voll von Krankenhäusern. Gestrichen und für den Rest seines Lebens. Und jetzt war er selber in einem, noch dazu als Patient. Keine besonders angenehme Art aufzuwachen. Einen ganz kleinen Moment lang versuchte er, sich einzureden, daß er einfach noch schlaftrunken war und da irgend etwas durcheinanderbrachte, aber dann öffnete er die Augen und stellte fest, daß das, was er sah, wirklich kein Traum sein konnte.
    Das Zimmer, in dem er sich befand, war zwar erstaunlich geräumig, ähnelte aber verdächtig dem Krankenwagen, mitdem er hergebracht worden war. Es war so vollgestopft mit Apparaturen und Gerätschaften, die allesamt medizinisch, teuer und überaus kompliziert aussahen, daß der verbliebene Platz gerade noch für das Bett und einen schmalen Gang reichte. Es gab nur ein einziges, kleines Fenster, welches zudem mit einer milchigen Kunststoffolie beklebt war, so daß er nicht sagen konnte, ob die Helligkeit dahinter nun Tageslicht oder die künstliche Beleuchtung eines angrenzenden Raumes war, und er hörte zwar nicht das Heulen einer Sirene, sehr wohl aber die typischen Geräusche eines modernen Krankenhauses.
    Die zweite unangenehme Empfindung, die er hatte, war die Erinnerung an einen Traum. Einen völlig verrückten, abstrusen Traum, der sich irgendwie mit seinen Erinnerungen vermischt hatte, so daß er nicht mehr genau auseinandersortieren konnte, was nun wirklich Erinnerung und was Bruchstück seines Alptraumes war. Ein Schatten hatte darin eine Rolle gespielt, vielleicht auch zwei, und er erinnerte sich vage an einen komischen Mann, der vorgab, Arzt zu sein, sich aber nicht wie einer benahm.
    Das dritte und letzte unangenehme Element seines Erwachens war weniger surreal, dafür aber äußerst
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