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Duftspur

Duftspur

Titel: Duftspur
Autoren: Sinje Beck
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improvisierten kleinen Kaffeeküche stehen zu lassen. Die ›Held der Hobel‹-Tasse habe ich Bille zu verdanken. Als ich ihren Lieblingshobel von ihrem Opa geschärft hatte, bemalte sie mir zum Dank an einem Kreativwochenende letzten Sommer auf Amrum diese Tasse. Sie zeigt ein Strichmännchen mit langen Haaren und zwei übergroßen Flügeln auf der einen Seite und den Schriftzug in großen Lettern auf der anderen Seite. Das Strichmännchen erinnert mich an meine gescheiterte Art von Ich-AG, an die Zeit in der ich mich in der Siegener City-Galerie mit meinem ›Nimm mich mit‹-Schild für sieben Euro die Stunde verkauft habe. Nun ja, jetzt stehen da schon drei weitere Typen, die sich für drei bis fünf Euro die Stunde verkaufen. Da kann ich nicht mithalten. Da will ich nicht mithalten. Ich weiß nicht, wie die das machen und wovon die leben. Einmal sah ich einen Kerl bei ihnen, er schien sie abzukassieren. Meine Gründeridee hatte also schon Nachahmer im großen Stil gefunden, Franchise, oder Subunternehmertum, ha, moderner Sklavenhandel. Nicht Fastfoodkette, nicht Menschenkette, Menschenhandelskette, setzt mein Hirn ein neues Wort zusammen. Ui, ich muss aufpassen, wenn ich so weiter sinniere, versaue ich mir den Rest des Tages und die Nacht dazu. Im Grunde kann ich zufrieden sein. Meiner Scheidung und Trennung vom ersten Arbeitsmarkt habe ich einige Begegnungen und Erfahrungen zu verdanken, die ich nicht mehr missen möchte, auch der Blick in den eigenen Abgrund.
    Von draußen höre ich Bille singen: Wer hat an der Uhr gedreht, ist es wirklich schon so spät, soll das heißen ja ihr Leut’ mit dem Paul ist Schluss für heut ...
    Ich ertappe mich beim Mitsummen des Paulchen-Panther-Liedchens.
    »Tschüß, Bille«, rufe ich ihr nach. Doch sie wird es nicht hören. Wenn sie singt oder aus einem Film zitiert, verschwindet sie im jeweiligen Text.
     
    T orsten kommt herangefegt und wuselt mir mit dem Besen um die Füße, wobei sich einige Sägespäne zwischen meine Zehen und dem Latschen heften. Er könnte mich ja auch bitten beiseite zu treten, doch das ist nicht seine Art. Wenn Torsten fegt, dann fegt er und nur das. Er fegt mit einer Hingabe, die der tiefritueller buddhistischer Mönche gleichen muss. Um zur absoluten inneren Ruhe zu finden und zu begreifen, dass der Weg das Ziel ist, sollen die ja auch schon mal den Wald fegen und natürlich keine Tiere platt treten, es könnte ja ein Freund gewesen sein. Marie, meine Ex, war ja mal auf so einem Trip. Verstehen Sie mich jetzt nicht falsch. Ich habe nichts gegen Esoteriker, nichts gegen Veganer und auch nichts gegen andere Gruppen, die weiter niemandem schaden, mein zweiter Vorname könnte Toleranz lauten, doch ab dem Moment, wo Marie begann, meine Matchbox-Sammlung vor einer McDonalds-Niederlassung an Kinder zu verschenken, wenn sie auf Burger verzichteten, war Schluss mit dem Verständnis. Die Idee an sich war ja nicht schlecht, als Gegengewicht zur Juniortüte eine Alternative zu bieten, doch nicht mit unlauter beschafften Mitteln. Die kleinen Konsumenten nahmen die Autos, m e i n e Autos, und kauften sich im Anschluss trotzdem eine Portion Speck auf die Rippen. Marie hätte es beim reinen Predigen der Mittellosigkeit belassen sollen, stattdessen überwies sie unsere letzten Ersparnisse an so einen windigen Guru, der sich mit unserem Geld und dem einiger anderer Irrgläubiger einen Flug nach Gomera gönnte. Was ja schon aus dem Grund widersinnig war, als dass ›Guru O two‹ aus eigener Kraft hätte fliegen müssen, per geistiger Loslösung von irdischer Schwere, oder wohl eher per Gras, das er in rauen Mengen rauchte. Nachdem die bittere Erkenntnis der Scharlatanerie durch Maries verkorksten Schläfenlappen gedrungen war, trieb es sie kurzfristig in meine Arme zurück, doch eben nur kurz. Aber lang genug um zu merken, dass da nicht mehr viel war außer dahingelebter Pflichtschuldigkeit. Vielleicht wäre alles anders gekommen, wenn wir uns vermehrt hätten. Vorbei. Der Zug war abgefahren und wenn ich ehrlich bin, ist es ganz gut so. Marie lebt mit einem Schnösel zusammen, so mein letzter Kenntnisstand, und ich bewohne eine kleine Dachstube im sogenannten Dreiländereck, Nähe Kalteiche. Immerhin bin ich wieder mobil. Nachdem ich schon geglaubt habe, ich werde mir nie wieder ein Auto leisten können, bin ich jetzt stolzer Besitzer eines alten Peugeots. Bei guter Pflege macht der noch 150000 km, meint Rudi, Besitzer einer Tankstelle und eines Abschleppdienstes,
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