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Duftspur

Duftspur

Titel: Duftspur
Autoren: Sinje Beck
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aufgekratztes Treiben heute Morgen. Bis der Mensch aus Sinn kommt, baue ich die kleinste Version der Bahn auf, damit er sich überzeugen kann, dass die Autos noch fahren. Ich heize einige Runden, Abschiedsfahrt und tschüß Porsche 911, tschüß March, tschüß BMW 2002, der Rundenzähler zählt bis drei. Es klingelt. Ein Hüne duckt sich durch die Tür, kommt herein, fährt, nickt, sackt ein und bezahlt. Ich könnte ihn nicht mal näher beschreiben, stecke wohl noch im Zeitfenster zwischen Traum und Wirklichkeit.
    Und nun? Die Plattensammlung. Spinnst du? Nicht die Plattensammlung! Bevor einer wie ich seine Platten aufgibt, frisst er eher den Kitt aus den Fenstern. Vertagt.
    Noch einen Kaffee. Meinst du nicht du zitterst schon genug? Okay, keinen Kaffee. Wahllos ziehe ich eine LP aus meiner Sammlung: Iron Maiden ›Live after Death‹. Das macht Sinn. Hast wohl schon Erscheinungen. Du bist zu oft allein. Nein, beschließe ich, es gefällt mir so. Die Nadel der alten SABA-Anlage lässt ›Die with your boots on‹ erklingen. Wenn das keine Motivation ist, ›if you’re gonna die, you’re gonna die‹. Auch keine neue Erkenntnis. Ich schiebe ›Run to the hills‹ nach, was mich dran erinnert, die Kalteiche rauf zu heizen, denn meine Schicht beginnt gleich.
     
    Als ich die Tankstelle betrete ist mir, als rieche ich Rahmspinat. Kann man eine Fata Morgana auch mit der Nase wahrnehmen, frage ich mich.
    »Hallo, Heiner, super, dass du einspringen konntest«, ruft Susanne, Rudis Frau, von hinten aus dem Separee.
    »Willst du was mitessen?« Was für eine Frage!
    »Es gibt nichts Besonderes, Kartoffelpüree mit Spinat und Fischstäbchen.« Wenn Rudi es nicht besser wüsste, könnte er meinen anhimmelnden Blick auf Susanne missverstehen.
    »Möchtest du dazu noch ein Spiegelei?« Ich reiße ungläubig die Augen auf.
    »Sehe ich so aus?«
    »Ja«, sagt sie lachend, »genauso siehst du aus.«
    »Hast du übersinnliche Fähigkeiten?«, frage ich sie, während sie zwei Eier in die Pfanne haut.
    »Nee, eine alte Gefriertruhe, die den Geist aufgegeben hat. Bei uns wird es die nächsten Tage ausschließlich Spinat geben«, sie lacht herzerfrischend, während Rudi sein Gesicht angewidert in Falten wirft.
    »Hau rein und beeil dich«, sagt er und verschwindet in den Shop.
    Mit gedämpfter Stimme erzählt Susanne: »Das hat er jetzt von seinem Sparzwang. Immer wenn es irgendetwas im Sonderangebot gibt, kauft er es gleich im Dutzend.« Sie grinst.
    »Einseitig oder beidseitig?«
    »Einseitig, danke.« Sie lädt mir die spiegelnden Eier auf den Spinatvulkan.
    »Sehr schön«, lobe ich und beginne manierlich zu essen, obwohl ich vor Hunger schaufeln könnte.
    Satt und zufrieden stelle ich mich 15 Minuten später dem Kundenstrom. Rudi, der außer Haus etwas zu erledigen hat, streckt noch mal den Kopf zur Tür rein.
    »Da hat ein Kerl für dich angerufen, du sollst zurückrufen. Die Nummer steht auf dem Zettel neben der Kasse.«
    Die Werkstattnummer. Während ich Alfons anwähle, überlege ich, ob ich mich freuen soll. Nach dem dritten Läuten meldet sich eine abgekämpfte Stimme. Es ist Alfons, der mir beinahe atemlos sagt, er melde sich wieder. Es sei gerade schlecht, aber die Lage wäre nicht hoffnungslos. Klack, aufgelegt. Was war denn das jetzt? Nein, ich freue mich besser nicht.
     
    Manchmal wüsste ich zu gerne wie die Leute leben, die auf den letzten Drücker etwas in der Tanke kaufen. Was treibt sie um, welche Zwänge nötigen sie, einen dieser traurigen Blumensträuße in Zellophan zu kaufen. Welcher Besuch hat sich unvermittelt angekündigt, dass man noch einen Kuchen backen muss, doch hier gibt es keine Hefe. Trockenhefe, notiere ich auf meiner Liste der Verbesserungsvorschläge. Bei den Typen mit dem Dosenbier und dem Tabak braucht es nicht viel Fantasie. Wen muss die junge Frau gnädig stimmen, dass sie den überteuerten Cognac kauft, hektisch ihr letztes Geld zusammenkratzend. Wie oft wurde die kleine Dicke schon versetzt, dass sie den Bestand an Schokoriegeln aufkauft oder will sie die nicht alleine verdrücken, allein vorm Fernseher mit Locke Gottschalk. Welche Schuld will sich der Mann mit dem auffällig breiten, sehr glänzend goldenen Ehering an der rechten Hand abwaschen, der verlegen zur Toilette stürzt, Hemd und Haare in Unordnung. Einige Zeit später dann, kommt er aufgeräumt und nach frisch aufgetragenem Rasierwasser riechend an die Kasse, eine Schachtel Weinbrandbohnen unterm Arm. Ich würde ihm ja von den
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