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Duft des Mörders

Duft des Mörders

Titel: Duft des Mörders
Autoren: C Heggan
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KAPITEL
    M it ausgetrockneter Kehle und feuchten Händen stand Jenna Meyerson in der noch menschenleeren Galerie und betrachtete die Schwarzweißfotografien, die kunstvoll an den Wänden platziert waren. Auch wenn sie ihre Arbeiten normalerweise eher nüchtern betrachtete, war sie nun, als sie sah, was sie erreicht hatte, und auch begriff, was all das für sie bedeutete, doch überwältigt. Ihre erste Ausstellung! Davon hatte sie seit ihrem fünfzehnten Lebensjahr geträumt! Jetzt war dieser Traum Wirklichkeit geworden! Doch die anfängliche Begeisterung war allmählich Zweifeln und Ängsten gewichen. War sie wirklich so gut, dass sie ihre Arbeiten in einer der angesehensten Galerien von Manhattan ausstellen konnte? Hatte sie die richtigen Fotos ausgewählt, um ihr Talent unter Beweis zu stellen? Die wichtigste Frage von allen jedoch lautete: Würde sich überhaupt irgendjemand die Mühe machen, einen Blick auf ihre Arbeiten zu werfen?
    Das hatte sie sich schon gefragt, als Letitia Vaughn, die Eigentümerin von Siri’s Gallery, vor zwei Monaten auf sie zugekommen war, um ihr eine dreiwöchige Ausstellung ihrer Fotoserie
The Faces of New York
vorzuschlagen. Jenna hatte sich geschmeichelt gefühlt, war zugleich aber auch verunsichert gewesen, und erst, nachdem sie sich gekniffen hatte, um sicher zu sein, dass dies kein Traum war, war sie schnell auf das Angebot eingegangen.
    Fast drei Stunden lang waren die beiden Frauen in Jennas Studio unzählige Motive durchgegangen, und gegen sieben Uhr an jenem Abend war Letitia – die den legendären Ruf hatte, Talente auf den ersten Blick zu erkennen – zu der Ansicht gelangt, dass die dreißig ausgewählten Bilder das Leben in der Stadt so zeigten, wie die New Yorker es kannten.
    Die folgenden acht Wochen vergingen wie im Flug, während Letitia Pressemitteilungen herausgab, ihr Team mit Speisen und Getränke versorgte und Dutzende von Einladungen für die Vernissage verschickte.
    Nun war der große Augenblick gekommen, und Jenna stand Todesängste aus.
    Sie sah auf die Uhr und wurde mit jeder Minute nervöser. Es war bereits kurz nach acht, und nicht ein einziger Kunstliebhaber hatte sich bislang blicken lassen. Warum in Gottes Namen hatten Letitia und sie für die Ausstellung ausgerechnet einen Montag gewählt, den einen Tag, an dem New Yorker für gewöhnlich zu Hause blieben?
    „Mach dir keine Sorgen“, hörte sie eine vertraute Stimme im Flüsterton sagen. „Du wirst einen Volltreffer landen.“
    Jenna wandte sich um und sah in das lächelnde Gesicht von Letitia Vaughn. Die Eigentümerin von Siri’s Gallery war zwar zweiundsechzig, aber mit ihrem kurzen schwarzen Haar, ihrer schlanken Figur und der modischen Kleidung wirkte sie gut zwanzig Jahre jünger. Es war die Leidenschaft für die Arbeiten der von ihr geförderten Künstler, verbunden mit einer überschäumenden Persönlichkeit, die sie in der Kunstszene zu einer solch einflussreichen Größe gemacht hatte.
    Jennas Blick folgte einem der Lieferanten, der ein weiteres Tablett mit Horsd’œuvres in den hinteren Raum der Galerie brachte. „Und das habe ich alles dir zu verdanken. Denn du warst es, die alles daran gesetzt hat, dass dieser Abend ein Erfolg wird.“
    Letitia machte eine wegwerfende Geste. „Ach, das ist doch nur Dekoration. Kunstinteressierte kommen nicht her, um Champagner zu schlürfen oder um ausgefallene Kanapees zu futtern. Sie kommen her, weil sie die Künstlerin kennen lernen wollen. Die New Yorker lieben es, neue Talente zu entdecken. Und das hier, meine Liebe“, Letitia breitete die Arme aus, „stammt von einem neuen Talent erster Güte.“
    Der Enthusiasmus dieser Frau sorgte dafür, dass sich Jennas Laune erheblich besserte. Ihr Blick wanderte erneut über die Fotos an den Wänden. Die Ausstellung The Faces of New York zeigte Männer und Frauen, die Jenna fotografiert hatte, während diese ihrer Arbeit oder ihrer Lieblingsbeschäftigung nachgingen oder einfach nur für ein paar Minuten ausspannten.
    Eines der bewegendsten Fotos war Jenna drei Wochen nach dem 11. September am Ground Zero gelungen, als sie eine Feuerwehrfrau entdeckte, die sich für einige Minuten von den Aufräumarbeiten erholte. Die Mischung aus Verzweiflung und Frustration in ihrem ruß- und staubverschmierten Gesicht war extrem ausdrucksstark.
    Die anderen Motive waren nicht weniger eindrucksvoll. Da war der verschwitzte Bauarbeiter, der mit seinem Presslufthammer einen Betonklotz zerkleinerte. Der rennende
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