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Duft des Mörders

Duft des Mörders

Titel: Duft des Mörders
Autoren: C Heggan
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sich in die Stadt, die von den New Yorkern ‚Big Apple‘ genannt wurde. Er mochte den Lärm, die Menschenmengen, die Energie und die grellen Lichter; all das erinnerte ihn an Rio. Doch im Gegensatz zu Rio fand hier jeder Arbeit, der welche suchte. Pincho aber brauchte einen Job, bei dem er kommen und gehen konnte, wie er wollte, ohne dass ihm jemand Fragen stellte. Also nahm er das Geld, das er bei Big Al verdient hatte, und eröffnete am Times Square ein Café; er hatte in der Rösterei genug über Kaffee gelernt, um zu wissen, worauf es ankam.
    Das Insomnia war auf Anhieb ein voller Erfolg. Und dank einer Empfehlung seines früheren Auftraggebers sprach sich schnell herum, dass Kravitz der richtige Mann für „besondere Aufträge“ war.
    Er war jetzt neunundzwanzig, sprach fließend und akzentfrei Englisch, und sein mörderisches Handwerk hatte er längst zu einer Kunstform weiterentwickelt. Pincho war kein simpler Auftragskiller, sondern ein Mann mit Köpfchen, der den Cops notfalls sogar einen Sündenbock lieferte, damit sie nicht weiter nach dem wahren Täter suchten. Und genau das würde er auch diesmal machen. Der hinkende Gang, das schmutzige Gesicht, die übel riechende Kleidung – all das war nur Teil seines nächsten Auftritts. Unter dieser Tarnung war er ein gut aussehender junger Mann mit hellbraunen Augen und einem Lächeln, das Frauen dahinschmelzen ließ.
    Sein Vermögen hätte es ihm gestattet, entsprechend luxuriös zu leben, aber dann wäre das Finanzamt auf ihn aufmerksam geworden. Liebend gern hätte er ein teures Apartment an der Upper East Side bezogen. Und eine Limousine mit Fahrer gehabt. Und eine 12-Meter-Yacht, um am Long Island Sound zu segeln. Aber wie sollte er einen solchen Luxus den Finanzbeamten erklären? Das Insomnia lief hervorragend, eine Goldgrube allerdings war es nicht, und damit niemand misstrauisch wurde, lebte er in den Verhältnissen, die ihm die Einnahmen aus dem Café ermöglichten. Das Luxusleben beschränkte er auf jene zwei Monate im Jahr, die er in seiner Villa im Süden Frankreichs verbrachte. Dort kannte man ihn als den wohlhabenden Ägypter Rachid Moulaya, der seine Privatsphäre und die schönen Dinge des Lebens schätzte. Die Villa war unter diesem falschen Namen gekauft und natürlich bar bezahlt worden. Es war erstaunlich, wie viele Identitäten ein Mann annehmen konnte, wenn Geld kein Thema war.
    Vorläufig gab er sich mit dem Times Square zufrieden. Auch wenn die Gegend in den letzten Jahren von Grund auf saniert worden war, besaß sie immer noch genug von dem alten Flair, der das Viertel so interessant machte. Er störte sich nicht an den Gaunern, die tagaus, tagein auf den Straßen ihr Unwesen trieben, und auch nicht an den Prostituierten und ihren Zuhältern, wenn diese sich nicht in seine Angelegenheiten mischten.
    Mit einer dieser Angelegenheiten war Pincho im Augenblick beschäftigt. Er stand im Badezimmer vor dem Spiegel, rückte die graue Strickmütze zurecht und lachte begeistert. Obwohl er geübt darin war, sein Erscheinungsbild zu verändern, erstaunte es ihn, wie gut ihm die Verwandlung vom erfolgreichen Geschäftsmann zum Penner gelungen war. Der Dreitagebart ließ ihn noch etwas heruntergekommener wirken. Und dann der Gestank. Er rümpfte die Nase. Wie um alles in der Welt konnte ein Mensch so etwas Tag für Tag ertragen?
    Er tastete nach dem Messer, das in seinem Hosenbund steckte. Es war in einen sauberen Lappen gewickelt, damit die Fingerabdrücke nicht verwischten, die sich auf dem Griff befanden. Unter der zerlumpten weiten Jacke war von der Waffe nichts zu sehen.
    Um sicher zu sein, dass er wirklich wie jener andere Mann wirkte, den er nachzuahmen gedachte, ging er einmal durch das Zimmer und zog das linke Bein nach, wie es Roys Art war. Er nickte zufrieden. Nur zwei Tage lang hatte er üben müssen, und jetzt saß jede Bewegung so perfekt, dass er allein dafür schon einen Oscar verdient hätte.
    Noch einmal las er die Adresse, die er sich notiert hatte – Siri’s Gallery an der Fifth Avenue. Das war nur einen Steinwurf vom Central Park entfernt. Besser hätte es nicht kommen können.
    Nachdem er überprüft hatte, ob seine Handschuhe in der Tasche steckten, löschte er zufrieden das Licht und verließ die Wohnung. Auf der Straße angekommen, vergrub er die Hände in den Hosentaschen, zog den Kopf ein, um sich vor der kalten Abendluft zu schützen, und machte sich auf den Weg.
    Erst ein paar Blocks weiter begann er zu hinken.

2.
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