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Duenne Haut - Kriminalroman

Duenne Haut - Kriminalroman

Titel: Duenne Haut - Kriminalroman
Autoren: Franz Kabelka
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sich wieder an seinen Oberarzt. „Selzer“, sagt er heiser, „ich habe Sie damals selbstverständlich in Schutz genommen. Ist das der Dank?“
    Selzer hält seinem Blick stand. „Ist etwas selbstverständlich zu nennen, wenn man sich dafür einen Dank erwartet? Aber keine Frage, die Sache wird von der Ethikkommission unvoreingenommen untersucht werden.“
    Für einen Moment fürchtet Sigrid, Sachs könnte durchdrehen. Doch der Chefarzt ballt nur seine Fäuste in den Manteltaschen und wendet sich abrupt ab.
    „Die Sitzung ist beendet!“, sagt er leise. Dann stürmt er aus dem Zimmer.
    Die Runde ist immer noch wie versteinert. Heute werden wir wohl erstmals auf unser kleines Abschlussritual verzichten müssen, denkt Sigrid. Seitdem sie den Job im
Sonnblick
angetreten hat, wurde jede Teamsitzung traditionell mit einem Gläschen Limoncello beendet. Gestiftet vom Chefarzt höchstpersönlich, der Likör war wirklich immer die reine Gaumenfreude. Aber in Zeiten wie diesen muss man sich eben daran gewöhnen, überkommene Rituale durch neue, passendere zu ersetzen …
    Wie wäre es mit Guido Westhäußers feinem Gewürztee, zum Beispiel?

29 G ERITZT
    Wäre da nicht die blanke Klinge über seinem Gesicht, er müsste laut lachen: Nur weil er seine alte Angewohnheit, die Wohnungstür immer brav hinter sich abzusperren, aufgegeben hat, konnte sie ihn so leicht überrumpeln.
    Ein Kriminaler, der sich einsperrt wie ein pubertierendes Mädchen im Badezimmer! Zu Tode gefürchtet ist auch gestorben
… So hatte Pepi, sein Linzer Kollege, ständig gelästert. Irgendwann wurde Hagen die Stänkerei zu blöd und er verzichtete darauf, den Schlüssel umzudrehen. Zuerst nur untertags, schließlich auch in der Nacht. Sehr schlau! Sie hat die Klinke nur leise niederdrücken müssen, um an ihn heranzukommen. Um ihn am Bett festzubinden wie ein Opferlamm. Just mit den schwarzen Strümpfen, die er an ihren langen, schlanken Beinen so bewundert hat. Und die noch immer nach ihr duften.
    Bis spät in die Sechzigerjahre pflegte sein Vater ein paar Nylons im Handschuhfach zu deponieren. Sie galten als der beste Keilriemenersatz. Was schon viel über die Widerstandsfähigkeit des dünnen Materials aussagt. Praktisch unzerreißbar, doch mit einer Schwachstelle ausgestattet: dem Knoten. Bei zwei Strümpfen macht das zwei Schwachstellen. Wenigstens einen der beiden Knoten sollte er unbemerkt mit den Fingernägeln lösen. Aber dafür ist jede Menge Ablenkung erforderlich.
    Marie Therese hockt wippend auf der Matratze. Es ruft dasselbe Bild in ihm hervor wie bei ihrer ersten Begegnung im Forum: eine Königskobra. Manche Ungereimtheiten in ihrem Verhalten klären sich plötzlich wie von selbst.
Wenn einer dieser Affen ins Messer fällt, bricht darüber sicher nicht mein Herz
. Der Satz war auf die Verantwortlichen des Jugendamts beziehungsweise des Sozialen Dienstes gemünzt, auf jene
diplomierten Schweine
, die ihre Kinder zuerst in Obhut genommen und dann die Sache vor Gericht gebracht hatten. Jetzt zählt er offenbar auch zu den Affen und Schweinen. Wie jeder, der sich ihren Ansprüchen verweigert. Und wenn er dazu noch Polizist ist …
    Langsam zieht sie die Ärmel ihrer Bluse hoch, legt die Narben auf ihren Unterarmen bloß. Einige neue, noch kaum verheilte sind dazugekommen, seit er sie das erste Mal zu sehen bekommen hat. Sie hält sie ihm so nahe vor die Augen, dass die roten Wülste ins Unscharfe verschwimmen.
    „Was glaubst du – war ich einmal liebenswert, Willie?“
    Jetzt fang bloß nicht wieder damit an! Du bist nicht Winnie und ich nicht dein Willie. Will es nicht, kann es nicht sein! Er hat absolut kein Verlangen danach, neben der komplizierten Rolle des Tone Hagen noch eine zusätzliche zu spielen. Das von ihr inszenierte Stück ist auch ohne solche Sprüche schon absurd genug.
    Unvermittelt beginnt sie zu schneiden. Sie setzt den Schnitt präzise zwischen zwei Wülste am linken Handgelenk, mit gesenktem Kopf, eine Chirurgin in voller Konzentration. Die Haare verhängen ihre obere Gesichtshälfte, was die grell geschminkten Lippen zusätzlich hervorhebt. Als wäre ein Bühnenscheinwerfer auf sie gerichtet. Gleichzeitig mit dem ersten Quellen des Blutes öffnen sie sich zu einem leisen Seufzer. Nie zuvor hat er aus ihrem Mund etwas so Mildes, Weiches, Entspanntes vernommen. Fast, als wollte sie ihm demonstrieren, welch zärtlichen Klänge ihm zuteil geworden wären, hätte er sich nur auf ihre Nähe eingelassen.
    Nein, ihr Seufzen
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