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Dünengrab

Dünengrab

Titel: Dünengrab
Autoren: Sven Koch
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Er sah wie von Reifen zerfurcht aus. »Das glaube ich auch nicht. Ich glaube eher, dass hier ein Wagen rückwärts in die Einfahrt gesetzt hat und dann der Fahrer die Frau ins Auto gezogen und wieder fortgefahren ist. Was du gesehen hast, waren wohl die Rücklichter, und bei dem von dir beschriebenen Grollen hat es sich um das Brummen des Motors gehandelt.«
    »Sicher.« Fokko zuckte mit den Achseln.
    »Fokko, ich muss dich fragen, ob du gestern etwas getrunken hast.«
    »Ja«, hörte sie ihn sagen. Es klang wie ein Seufzen.
    Femke machte einen Schritt nach vorne und hockte sich hin, um die Reifenspuren zu begutachten. »Viel?«, fragte sie.
    »Eigentlich nicht, aber ich fürchte …«
    Femke verstand.
    »Ich kann nachts oft nicht schlafen. Der Rum hilft manchmal dabei, müde zu werden.« Er machte eine Pause. »Ich wünschte, ich wäre nüchtern gewesen. Vielleicht hätte ich dann besser helfen können.«
    »Du musst dich nicht rechtfertigen«, sagte Femke und strich mit der Hand über den Kies. Die Furchen sahen frisch aus, breit, jedoch hatte Fokko kein Auto. Jeder wusste, dass er Motorroller fuhr, eine leuchtend gelbe Honda, die Femke neben dem Haus hatte stehen sehen. Dann entdeckte sie einen roten Stofffetzen, der unter zwei Kieseln im Wind flatterte. Fokko hatte beschrieben, dass die Frau ein Kleid in dieser Farbe getragen hatte.
    »Sag mal«, fragte sie und blickte sich nach hinten um, »hast du zufällig Gefrierbeutel im Haus?«
    »Ja«, antwortete er und ließ es wie eine Frage klingen.
    »Kann ich einen haben?«
    Fokko nickte und kam kurz darauf mit einer kleinen Plastiktüte zurück. Sie nutzte einen flachen Stein, um den Stofffetzen in den Beutel zu schieben, verschloss ihn mit der Klemmlasche, faltete ihn zusammen und steckte ihn in ihre Brusttasche. Dann stand sie wieder auf, bedankte sich für den Eistee und sagte Fokko, er solle sich zur Verfügung halten, falls es weitere Fragen an ihn gäbe, wovon sie ausgehe.
    Sie setzte sich wieder in den Streifenwagen, hob die Hand zum Gruß, ließ den Motor an und schaltete die Klimaanlage ein. Langsam fuhr sie über den knirschenden Kies und versuchte dabei, zwischen den Fahrspuren zu bleiben, die ein Unbekannter in Fokkos Einfahrt gefräst hatte.
    Es gab zwei denkbare Szenarien: zum einen Unfallflucht. Jemand hatte die Frau angefahren, die zu Fuß im Nebel nach Hause gehen wollte. Die Verletzte war zur Seite geschleudert worden und hatte anschließend nach Hilfe gesucht und Fokko Broers Haus gefunden. Ihr Benehmen konnte eine Folge des Unfalls sein. Vielleicht litt sie an einer Gehirnerschütterung. Der flüchtige Fahrer hatte schließlich gewendet, nach ihr gesucht, um sie ins Krankenhaus zu bringen, und sie bei Fokko gefunden. Aber warum hätte er sie dann gewaltsam in den Wagen befördert? Um etwas zu vertuschen – und wenn ja, was?
    Andererseits mochte der Fahrer ein Freier von Vikki gewesen sein. Im Wagen gab es Streit. Der Mann wurde gewalttätig. Vikki wollte ihm entkommen und sprang aus dem Auto. Sie suchte nach Hilfe, gelangte zu Fokkos Haus und hielt sich dort so lange auf, bis der Fahrer sie wieder in seine Gewalt brachte. Aber warum sollte er das tun?
    Im einen wie im anderen Fall lief es auf dasselbe hinaus: Die Kripo war gefragt. Denn eine vermisste Person musste sie ohnehin melden, den Verdacht auf Fahrerflucht ebenfalls, ein mögliches Gewaltverbrechen erst recht.
    Femke bog ab auf die Bundesstraße, setzte den Blinker aber nicht nach rechts Richtung Werlesiel, sondern fuhr einige Kilometer Richtung Bornum und suchte dabei die Fahrbahn nach Bremsspuren oder anderen Hinterlassenschaften eines Unfalls ab. Kurz vor Bornum wendete sie in einem Feldweg und kehrte um. Etwa zwei Kilometer vor dem Ortseingang von Werlesiel fiel ihr etwas Buntes am Fahrbahnrand auf, das sie auf dem Hinweg noch nicht wahrgenommen hatte. Sie bremste, stieg aus und ließ den Wagen mit laufendem Motor stehen.
    Im Straßengraben unter den Hagebutten lag ein hochhackiger roter Schuh – allerdings war der Absatz abgebrochen. Vorsichtig bewegte sie den Pumps und sah, dass er innen bräunlich verschmiert war. Es sah aus wie getrocknetes Blut. Sie sah sich weiter um. Der Wind rauschte in ihren Ohren. In etwa zehn Metern Entfernung war eine Bremsspur zu erkennen. Sie sah frisch aus. Und waren da Blutstropfen auf der Straße? Femke ging auf die Stelle zu und stemmte die Hände in die Hüften. Sie wusste von diversen Unfällen, wie Blut auf Asphalt aussah. Außerdem war es
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