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Dünengrab

Dünengrab

Titel: Dünengrab
Autoren: Sven Koch
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kam das Gesicht einer persischen Prinzessin zum Vorschein, die als Polizeimeisterin im Taekwondo für den härtesten Schlag Norddeutschlands bekannt war. Sie blickte zu Tjark auf und reckte die spitze Nase nach oben. Ceylan war sehr klein und Tjark recht groß – größer, als die meisten Menschen annahmen, die ihn nur vom Titelbild seines Buchs kannten. Er schenkte seiner Kollegin den Hauch eines Lächelns.
    »Du machst deinem Namen alle Ehre«, sagte Fred zu Ceylan und ließ die leere Dönerverpackung fallen.
    »Bitte?«
    »Ceylan heißt doch Gazelle.« Fred trank einen Schluck Kaffee.
    Ceylan musterte ihn genervt: »Ist das eine Hundert-Euro-Frage beim Jauch gewesen? Weißt du daher so einen Mist?«
    Fred zuckte nur mit den Schultern und tupfte sich die Mundwinkel mit einer Papierserviette ab.
    »Was macht ihr hier?«, fragte Ceylan. »Das ist nicht eure Baustelle, und außerdem habe ich gedacht …«
    »Richtig gedacht«, kürzte Tjark ab und zog an der Zigarette, bis deren Spitze glühte.
    Er und Fred waren auf Eis gelegt, was jeder wusste. Sie waren bis auf weiteres zum Innendienst verdonnert, was zumindest Freds Frau gefiel, denn es bedeutete, dass er pünktlich nach Hause kam, um abends und am Wochenende auf der Baustelle zu stehen und Wände für sein entstehendes Eigenheim zu verputzen oder sich mit Handwerkern herumzuärgern. Fred gab sich alle Mühe, den Anschein zu erwecken, dass er froh darüber sei, mit dem Haus endlich voranzukommen. Tatsächlich dachte Tjark, dass der Palast Fred finanziell das Genick brechen würde. Abgesehen davon passte ein Eigenheim einfach nicht zu ihm. Fred und Tjark waren Straßenköter und keine Schoßhunde, und das war einer der Gründe, warum sie heute bei diesem beschissenen Wetter unter der Markise eines Asia-Shops herumstanden.
    »Wir vertreiben uns die Zeit und sehen den Profis bei der Arbeit zu«, erklärte Fred.
    Es war kaum zu übersehen, dass Ceylan Fred am liebsten eine verpasst hätte. »Das kann ich total gut gebrauchen, Leute, echt.«
    »Hundert Euro«, sagte Tjark, schnippte die Kippe in den Regen und deutete mit dem Kinn in Richtung Werkstatt, »dass die Typen nicht da sind.«
    »Hundert Euro«, sagte Ceylan, »dass du keine Ahnung hast, wovon du redest, Superbulle.«
    Tjark lachte leise und zog die Augenbrauen hoch. Seit er das Buch geschrieben hatte, nannten ihn viele Kollegen so. Tjark schilderte darin einige Routinefälle – Morde, Selbstmorde, Totschlagdelikte –, und zwar genau so, wie sie geschehen waren, und nicht, wie sie in der CSI -Glanzwelt abgewickelt wurden. Offenbar wollten viele Menschen wissen, was wirklich da draußen los war: »Im Abgrund« war schnell auf die Bestsellerliste gekommen, Tjark wurde als Gast in TV -Shows eingeladen, gab Fernseh- und Zeitungsinterviews und bekam einen Verlagsvertrag für einen Folgeband. Nicht jedem Kollegen schmeckte das. Vor allem Berndtsen nicht, seinem Abteilungsleiter. Aber Berndtsen schmeckte zurzeit überhaupt nichts, das mit dem Label Tjark Wolf versehen war. Ganz und gar nicht.
    »Wir haben die Scheißkerle einige Wochen lang überwacht und den Zugriff von langer Hand vorbereitet«, erklärte Ceylan und wischte sich etwas Regen aus dem Gesicht. Um ihre Füße bildete sich bereits eine ansehnliche Pfütze. »Die sind hundertprozentig da.«
    »Ich bin mir nicht so sicher«, sagte Tjark.
    »Sind sie nicht«, stimmte Fred ihm zu.
    »Und wer sagt euch das?«
    »Mein Spinnensinn«, erklärte Tjark.
    »Was?«
    »Spiderman hat diesen Spinnensinn, und der macht ihn nervös, wenn Gefahr in Verzug ist. Mein Spinnensinn ist jedoch völlig stumm.«
    »Du und deine Comics«, sagte Ceylan genervt.
    Fred lachte, was mehr nach einem Keuchen klang. »Superbullen haben auch Superfähigkeiten.«
    Ceylan wandte sich zur Seite, um zu verfolgen, was an der Werkstatt vor sich ging. Tjark nahm an, dass das SEK in wenigen Augenblicken das Schloss der Garage mit einem Schrotgewehr aufschoss oder mit einer schweren Ramme zertrümmerte. Danach würde es das Vorstandszimmer des »Bad Coyote«-Motorradclubs stürmen, der mit Waffen, Drogen und Menschen handelte und auf dessen Konto der Tod von vier Mitgliedern der »Northern Riders« ging, die ebenfalls mit Drogen, Waffen und Menschen sowie Schriften der verbotenen »Aryan Nation« und anderem Nazi-Scheiß handelten. Die Leichen waren mit heruntergelassenen Hosen und Kopfschüssen auf der Toilette einer Autobahnraststätte gefunden worden.
    Ceylan schien nervös. Ihr rechtes Lid
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