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Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici

Titel: Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici
Autoren: Administrator
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verzettelt. Die Ersten gingen bereits zu Boden und lagen dort still oder wanden sich vor Schmerz. Es kamen immer noch mehr bewaffnete Medici-Anhänger auf den Platz gerannt und fielen über den Pöbel her. Schon wandten sich Gruppen zu einem halben Dutzend und mehr zur Flucht; vereinzelte wurden wieder eingefangen und gingen schreiend unter einer hackenden, stechenden und prügelnden Traube zu Boden. Der alte Pazzi sah sich wild um; seine Reiter sprengten auf ihn zu und stießen zur Seite, was sich von ihren Kämpfern noch auf den Beinen hielt. Sie bildeten einen Ring um ihn, er schüttelte den Kopf, und ihre Gruppe setzte sich in Bewegung, fort vom Platz, fort vom Eingang des Palastes, dessen Besatzung jetzt einen Ausfall wagte. Einer der Männer auf dem Turmkranz legte die Armbrust erneut an, und ich glaubte fast, das Sirren des Bolzens zu vernehmen und den dumpfen Aufschlag, mit dem er sich in’ die Hinterhand eines der flüchtenden Pferde bohrte. Das Pferd wieherte schrill und brach aus, sein Reiter brachte es wieder unter Kontrolle, und die Männer stoben davon, durch die Reste ihrer geschlagenen Hundertschaft, die mit allen Kräften zu fliehen versuchten, verließen den Platz ihrer Niederlage, während sich in ihrem Rücken ein weiteres Kampfgebrüll erhob, das eindeutig den Sieg der Medici-Seite beschrie. Ich löste mich von der Wand und floh um die Ecke herum, verfolgt von Geheul und Geschrei und dem siegestrunkenen: »Palle, palle, vivano le palle!«
     
     
    2.
     
    W
    ährend ich durch die Gasse hastete, versuchte ich zu erraten, durch welches Tor Jana wahrscheinlich die Stadt betreten würde. Keuchend mühte ich mich ab, mich an Janas Anordnungen gestern Abend zu erinnern. Benozzo Cerchis Gut lag im Norden, also würde sie auch durch eines der nördlichen Tore wieder hereinkommen. Wie viele Tore gab es auf der nördlichen Seite der Mauer? Mein Schwiegersohn Johann Kleinschmidt hätte es gewusst. Ich bemühte mich, Sorge um ihn zu empfinden, doch die Sorge um Jana drängte alles andere beiseite. Wenn überhaupt, fühlte ich Ärger, weil er mir nicht helfen konnte. Ich musste stehen bleiben und mich an einer Mauer abstützen; wenigstens führte die Gasse nach Norden.
    Eine größere Gruppe arbeitete sich plötzlich in entgegengesetzter Richtung die Gasse herab. Die Menschen wichen ihnen aus. Es war ein gutes Dutzend Männer, das einen weiteren Mann vor sich hertrieb. Dieser taumelte und hinkte und bewegte sich mit verzerrten Gesichtszügen voran. Er trug nur ein langes Hemd; seine Füße darunter waren bloß. In der Höhe der Oberschenkel klatschte das Hemd dunkelrot und nass auf seine Beine, als er vorwärts schwankte. Neben mir blieb jemand stehen und gaffte die Gruppe an.
    »Eh, Franceschino, sei un cazzo!«, grölte er begeistert. Ich starrte dem Unglücklichen, als sie ihn an mir vorbeitrieben, ins Gesicht. Es war grau und nass vor Tränen. Etliche der Männer, die eben noch um ihr Leben gerannt waren, schlossen sich dem Zug an und heulten vor Spott und Freude wie die Wölfe. Ich hatte nur einen kurzen Blick mit jenem Unseligen gewechselt, aber es hatte mir genügt zu erkennen, dass er um seinen nahen Tod wusste und mich wortlos anflehte, ihm zu helfen. Ich fühlte mit den Händen nach der Mauer und hielt mich weiter daran fest, bis mir mein Herzschlag nicht mehr wehtat. Schließlich stieß ich mich ab und marschierte schwerfällig weiter. Nach ein paar Schritten ging es leichter. Ich spürte mein eigenes Hemd, das mir nass vor Schweiß am Körper klebte. Der Festgenommene war derjenige gewesen, der wie ein Rasender auf Giulianos Leichnam eingestochen hatte. Wo immer sie ihn gefunden hatten, jetzt führten sie ihn zum Palazzo della Signoria, der fest in der Hand der Medici war. Ich versuchte, nicht daran zu denken, was sie mit dem Mann dort anstellen würden. Die Medici-Anhänger rächten das Attentat auf ihren Liebling Giuliano und feierten das Überleben ihres Idols Lorenzo. Selbst mir war klar, dass die Revolte des alten Pazzi spätestens auf dem Platz vor dem Palast zusammengebrochen war. Nun begann das Strafgericht. Als ich über einen abgerissenen Zweig stolperte, dessen frühlingsgrünes Laub zerrissen und in den Dreck der Gasse getreten war, fiel mir ein, dass wir Christenmenschen heute eigentlich den Triumph unseres Erlösers über den Tod feierten.
    Ich brauchte Verstärkung, um Jana mit einem Aufgebot beim Tor abfangen zu können. Zum wiederholten Mal verfluchte ich Johann Kleinschmidt und
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