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Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici

Titel: Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici
Autoren: Administrator
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nicht wusste, wo ich in diesem Haus nach Schwertern oder Spießen hätte suchen sollen; und wie ich sie hätte verwenden sollen, wenn ich sie gefunden hätte. Meine Waffe war immer mein Verstand gewesen; in den letzten Jahren eine stumpfe Klinge. Ich bemerkte, dass ich begann, mich in eine fiebrige Panik hineinzusteigern, und versuchte durchzuatmen. Johann Kleinschmidt sah mich entsetzt und mit großen Augen an.
    »Fang schon an!«, brüllte ich. »Oder ich ersäufe dich hier in diesem Springbrunnen!«
     
    Fünf Männer machten sich mit mir auf den Weg, unter ihnen der majordomus und zwei der fein herausgeputzten »Gefolgsleute« meines Schwiegersohns. Ich fühlte eine Verachtung für ihn, die mir im Hals stecken blieb; ich konnte nur hoffen, er würde sich nicht unter den Röcken der Köchinnen und Küchenmädchen verkriechen, wenn jemand an das Tor pochte. Meine Gefährten trugen Küchenmesser in den Gürteln. Ich selbst war waffenlos. Meine Lunge brannte, während ich neben ihnen herrannte. Wir umgingen einige Gebäude, durchquerten ein Gassenkarree und kamen weit hinter Santissima Annunziata wieder auf die Gasse hinaus, die zur Porta San Gallo führte. Ich spürte, wie sich meine rechte Seite verkrampfte. Der majordomus sah mich besorgt an und verlangsamte seine Schritte. Ich winkte ihn weiter. »Mach, mach!«, stieß ich hervor, ohne dass er mich verstanden hätte. »Ich komme schon mit.«
    Es war umsonst. Als wir das Tor erreichten, war es geschlossen. Ein Kordon von Stadtwachen schützte es nach innen, weitere Männer spähten vom Torturm herunter. Ich sah gespannte Armbrüste in ihren Fäusten. Der majordomus stellte einem Offizier ein paar Fragen, während ich schmerzhaft nach Luft rang. Ich sah den Mann auf alle Fragen den Kopf schütteln. Jana war nicht hier gewesen, niemand hatte etwas von ihr oder ihrem Gefolge gesehen, und wenn sie jetzt noch kam, würde sie nicht mehr eingelassen. Florenz war eine geschlossene Stadt.
    Johann Kleinschmidt spähte selbst durch die Klappe und öffnete uns das mit zusätzlichen Riegeln verrammelte Tor, als wir nach unserer erfolglosen Mission dagegenschlugen. Trotz oder gerade wegen seiner Furchtsamkeit hatte er den Innenhof in eine verteidigungsbereite Festung verwandelt: Möbelstücke und Truhen verbarrikadierten den Treppenaufgang, und bis Eindringlinge sie beiseite geräumt hätten, wären sie von den beiden Stockwerken mit allen möglichen Wurfgeschossen eingedeckt worden. Ich nickte widerwillig zu Kleinschmidts Umsicht und erklärte ihm die Lage.
    Danach warteten wir. Kleinschmidt fragte mich aus, was ich gesehen hatte, und gab zu meiner teilnahmslosen Schilderung seine üblichen unwillkommenen Informationen über Gebäude und Straßen ab. Die weiten Bogenöffnungen der Loggia im Obergeschoss ließen den Lärm herein, den ein entfesselter Pöbel veranstaltet, wenn er auf der Jagd ist. Ich starrte zum Dom hinüber, fühlte die Kälte der steinernen Brüstung der Loggia an meinen Händen und presste sie fest dagegen, um ihr Zittern zu beenden. Es gelang mir ebenso wenig, wie ich es vermochte, das vielfältige Toben der Gewalt in den Gassen der Stadt aus meinen Ohren zu verbannen.
     
    In der Dämmerung loderten da und dort die Funkenspiralen auf, die verbrennendes Mobiliar in die Höhe sandte. Ich hoffte, dass die instinktive Furcht des Städters vor einer Feuersbrunst die Plünderer davon abhalten würde, ganze Häuser anzustecken, aber eigentlich war es mir egal. Ich fluchte auf das finstere Schicksal, das uns nach Florenz verschlagen hatte, und auf meine Sturheit, dass ich Jana hatte allein zu Benozzo Cerchi fahren lassen. Jana, deren Liebe mir in manchen Augenblicken mehr wert war als meine Familie und mein eigenes Geschick. Doch das finstere Schicksal war in Wirklichkeit Janas hartnäckige Jagd nach einem ganz besonders lukrativen Geschäft, meine Sturheit die beleidigte Reaktion darauf, dass Jana eine unserer Abmachungen gebrochen hatte; und von meiner Liebe, wie stark ich sie auch zuweilen fühlen mochte, wusste ich nicht mehr, ob sie noch immer von Jana erwidert wurde. Ich hörte schrilles, lang anhaltendes Heulen aus einer nahe gelegenen Gasse, zwischen deren Häusern ebenfalls Funken nach oben stoben, und fühlte Schwäche angesichts des Gedankens, dass dort jemand in den Scheiterhaufen seiner eigenen Existenz gestoßen wurde.
    Ich zog mich in die Schlafkammer in der Loggia zurück und schloss die Fensterläden. Ich hätte gebetet, aber mir war zu übel
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