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Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici

Titel: Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici
Autoren: Administrator
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sie ausgeräumt. Peter Ugelheimer, der allseits bekannte Frankfurter Herbergswirt in Venedig, hatte ihn uns als patron empfohlen, und der patron hatte seine Gesellschaft sicher von Venedig nach Prato geführt. Wir waren dabei die zahlenmäßig kleinste Gruppe gewesen: Jana, ihre Zofe Julia, Stepan Tredittore, die beiden in Venedig gemieteten Rossknechte – und ich. Während die anderen Mitglieder der zusammengewürfelten Reisegesellschaft mit ihrem gesamten Tross an Waren, Geld und Begleitpersonal reisten, hatte Jana nach dem Abschluss ihres letzten Geschäfts ihr Personal samt den Gütern von Venedig aus nach Hause geschickt. Ursprünglich hätten wir dabei sein sollen; ursprünglich, bevor Stepan Tredittore aus Krakau kam mit seinen Botschaften und seinem herausfordernden Auftreten, mit dem er deutlich machte, dass er Jana bestenfalls als eine kurzfristige Erscheinung an der Spitze des Hauses Dlugosz betrachtete. Und Jana die Weiterreise nach Florenz beschloss, um dort noch ein letztes Geschäft abzuwickeln.
    »Es liegt am Tod ihres Vaters«, sagte ich und sah unwillkürlich zu Stepan Tredittore hinüber, der die sichtbare Manifestation all der Dinge war, die Janas schlechte Laune verursachten. Messer Maurizio folgte meinem Blick, ohne dass seine Miene verraten hätte, ob er sich Gedanken über den Boten von Janas Hof in Krakau gemacht hatte und welcher Art diese Gedanken waren.
    »Eine schlimm’ Botschaft«, bestätigte er.
    »Ja, und umso schlimmer, da die Botschaft mit einer Forderung der Vettern und Geschäftsfreunde verbunden war, dass Jana heimreisen und die Führung des Handelshauses in die Hände irgendeines männlichen Verwandten zweiten Grades legen möge.«
    »Isch verstehe nischts von Geschäfte’«, erklärte der patron. Er hatte sich einmal eine Diskussion mit Jana geliefert, als er eine abfällige Bemerkung über die Witwe eines ihm bekannten Handwerkers gemacht hatte, die versuchte, das Geschäft nach dessen Tod selbst weiterzuführen. Danach hatte er es vermieden, in solchen Dingen mit Jana nochmals unterschiedlicher Meinung zu sein.
    »Ich werde meiner Gefährtin Gesellschaft leisten«, sagte ich. »Ich habe ebenfalls kein Bedürfnis, Zeuge zu werden, wie die Unglückliche auf dem Weg zu ihrer Hinrichtung vor aller Augen gequält wird.«
    Messer Maurizio fuhr sich durch die Haare. »Und isch werde den oste von die ‘erberge frage’, ob es noch eine Lager für Euch gibt. Ihr ‘ättet Euch ohn’hin beeile’ müsse’, Firenze ‘eute noch zu erreiche’. So kommt Ihr abe’ niemals reschtzeiti’ an.« Er warf einen Blick zum Tordurchgang, wo sich jetzt auch die Mitglieder unserer Reisegruppe drängelten und Stepan Tredittore versuchte, sich einen guten Aussichtsplatz zu sichern. Die Prateser hatten mit einem rhythmischen Singsang begonnen, der sich anhörte, als werde ein Name gerufen. Vielleicht war es der Name der Sklavin. »Schlimme Zeite’«, flüsterte Messer Maurizio und schlüpfte davon.
     
    Es war die falsche Entscheidung gewesen, in die Schankstube zu gehen. Sie war dunkel und menschenleer und roch nach kaltem Rauch, abgestandener Luft und Bratfett, obwohl der Wirt die kleinen Fenster geöffnet hatte. Das jedoch war nicht das Schlimmste. Das Schlimmste war, dass die Schankstube ein paar Stufen über dem Niveau der Straße lag, weil sich unter ihr ein Vorratskeller befand und die Fenster sich einige Ellen über den Köpfen der Wartenden draußen öffneten. Jegliches Geräusch von der Straße konnte ungehindert eindringen, noch verstärkt durch die glatte, fensterlose Flanke eines wuchtigen Lagerhauses auf der gegenüberliegenden Seite der Gasse. Zuerst war es nur das Singen, über das sich da und dort Gelächter erhob. Dann verstummte der Singsang langsam und zögernd, bis nur noch eine einzige Stimme herauszuhören war, die mit einem verlegenen Geräusch abbrach, als dem Sänger bewusst wurde, dass er allein war. Ich sah zu Jana hinüber. Das Ende des Gesangs konnte nur bedeuten, dass die ersten Zuschauer etwas gehört hatten. Dann hörten wir die abgehackten Geräusche auch und wussten, lange bevor man es wirklich erkennen konnte, dass es die Schreie einer Frau waren. Der Lärm der Menge steigerte sich wieder und ertränkte sie für eine gnädige Weile. Jana und ich saßen uns gegenüber und starrten uns wortlos an, während der Henkerskarren sich näherte und die gequälten Schreie der Verurteilten endgültig über die Geräusche der Menge hörbar wurden. Es kam niemand zu uns
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