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Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici

Titel: Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici
Autoren: Administrator
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dazu.
     
    Eine Hand an meiner Schulter rüttelte mich aus dem unruhigen Schlaf, der mich überfallen haben musste. Ich starrte in Johann Kleinschmidts Gesicht und wälzte mich von der Decke des unaufgeschlagenen Betts herunter. Kalter Schweiß klebte meine Kleidung an meinen Körper.
    »Die Männer unten haben jemanden eingelassen, der behauptet, zu Euch zu gehören«, sagte Kleinschmidt halblaut.
    Ich folgte ihm stolpernd zum Innenhof hinunter. Von draußen klang kein Geräusch mehr herein; die Nachtstille der Stadt wirkte nach dem Lärm des Tages mehr erschreckend als beruhigend. Der majordomus half mir über die Barrikade. Beim Brunnen saß ein Mann und hielt den Kopf in den Händen; zwei der Dienstboten beleuchteten ihn mit Fackeln. Der Mann trug nur ein schmutziges Hemd, eine nasse Hose und seine Stiefel. Als ich mich näherte, hob er seinen Kopf.
    »Gott sei Dank, Herr Bernward«, stieß er hervor. Sein Gesicht war schmutzig und voll blutiger Flecken. Ich sah, dass seine Hände aufgerissen waren.
    »Stepan Tredittore. Wo um alles in der Welt ist Jana?«
    »Man hat sie verhaftet.«
    Ich fühlte, wie mein Herz aussetzte. In den fehlenden Schlag schwang sich die Glocke vom campanile des Doms und dröhnte die Zeit: Mitternacht.

 
     
    2. BUCH
    Reise ins Dunkel
     
    24. und 25. April 1478
     
     
     
     
     
     
     
    Ich will dein Führer sein
    Und mit dir wandern durch die ewige Schwelle:
    Dort wirst du hören der Verzweiflung Pein.
    DANTE ALIGHIERI,
    Hölle I

 
    1.
     
    W
    as will der Kerl bloß?«, stieß Jana ungehalten hervor. Der Stallknecht vor ihr, der mit den Händen fuchtelte und nicht einen Fuß bewegte, um ihrem Wunsch nachzukommen, unsere Pferde aus dem Stall der Herberge zu holen, überschüttete sie mit einem Schwall pratesischen Dialekts. Sie funkelte mich an, doch als Messer Maurizio herankam, der unsere Reisegruppe von Venedig nach Prato geführt hatte, fand ihr Zorn ein neues Ziel.
    »Warum gibt er die Pferde nicht heraus?«, fuhr sie ihn an.
    »Mi dispiace«, seufzte er. »Ihr könnt Prato nischt mehr verlasse’ für ‘eute. Es ist eine… man hat eine…«
    »Was soll das heißen, wir können Prato nicht verlassen? Wir haben mit Euch vereinbart, dass wir uns hier von Eurer Gruppe trennen und allein nach Florenz Weiterreisen!«
    »Es ist etwas dazwisch’gekomme’. Wie sagt man…?«
    »Dazwischengekommen? Ihr habt doch gewusst, dass wir Euch hier nur auszahlen und etwas essen wollten, mehr nicht. Warum habt Ihr uns überhaupt nach Prato hereingeschleppt, wenn wir nicht wieder hinauskönnen?«
    Messer Maurizio warf mir einen Hilfe suchenden Blick zu.
    »Isch ‘abe es au’ nischt gewusst ‘e«, verteidigte er sich. »Isch ‘abe es ebe’ erst selbst erfahre’.«
    Ich sah aus dem Augenwinkel Stepan Tredittore heranschlendern, den Boten vom Hof von Janas Vater in Krakau, der uns seit Venedig begleitete. Ich berichtigte mich: Es war nicht mehr der Hof von Janas Vater. Es war jetzt Janas Hof. Eine der Botschaften Tredittores war die vom Tod Karol Dlugosz’ gewesen.
    »Es ist eine Hinrichtung im Gange, Monna Jana«, erklärte Stepan Tredittore mit derselben Leichtigkeit, die es ihm bereitete, die verschiedenen Dialekte zwischen Venedig und Prato zu verstehen.
    »Der Henkerskarren fährt gleich hier entlang. Wir können nicht hinaus, bevor er durch ist, und wir können nicht aus der Stadt, bevor die Hinrichtung vorüber ist.« Er grinste, so wie er es immer tat, wenn einer von Janas Plänen fehlschlug, und zwinkerte mir dabei zu. Seit er zu uns gestoßen war, ließ er es an feiner Verachtung für Jana und anbiedernder Freundlichkeit für mich nicht fehlen. Ich wandte den Blick ab und brummte unhörbar: »Schlange.«
    »Eine Hinrichtung? Heute? Am Gründonnerstag?«
    »Scheinbar wollten sie nicht bis zur Osterfeier warten, damit nicht noch jemand auf die Idee kommt, die Übeltäterin zu begnadigen.«
    »Eine Frau? Was hat sie getan?«
    »Eine Sklavin, Monna Jana. Die Leute sagen, sie habe ihren Herrn vergiftet.«
    Ich verdrehte die Augen. Welche Hinrichtungsart man immer für die Unselige bestimmt hatte, sie würde nicht leicht sein.
    »Und warum will man so unbedingt vermeiden, dass sie begnadigt wird?«, fragte Jana.
    »Eine Frau, die einen Mann umbringt«, erklärte Tredittore mit Betonung. »Daneben«, er seufzte mit seinem eigenen Talent für sarkastische Nebenbemerkungen, »war er der podestà der Stadt. Die Bürger haben eine mächtige Wut auf die Täterin.«
    »Der
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