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Du machst Schule!: Warum das Bildungssystem versagt, was junge Menschen wirklich lernen müssen und wie wir ihnen dabei helfen

Du machst Schule!: Warum das Bildungssystem versagt, was junge Menschen wirklich lernen müssen und wie wir ihnen dabei helfen

Titel: Du machst Schule!: Warum das Bildungssystem versagt, was junge Menschen wirklich lernen müssen und wie wir ihnen dabei helfen
Autoren: Bettina L'Habitant
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mathematische Entdeckungsreisen gehen – so lässt sich die Welt der Geometrie mit Begeisterung und Faszination erkunden und begreifen. Fächerübergreifender Unterricht weitet den Blick und stellt Lebenszusammenhänge her.
    Inhalte vernetzen, Zusammenhänge erkennen
    Was in der Unterstufe möglich ist, das funktioniert in der Oberstufe sogar noch viel besser, ein Beispiel an dieser Stelle auch dazu: Die zwölfte Jahrgangsstufe befasst sich mit einem Werk von Max Frisch, »Der andorranische Jude«. Die Erzählung befasst sich mit der Verfolgung von andersartigen Menschen, die nicht in das aktuelle Gesellschaftssystem passen. Satt stur nach Buch zu lehren und zu analysieren, kann man entscheidende Szenen gemeinsam lesen und besprechen, die fehlenden Textteile von einzelnen Schülern zusammenfassen und der Klasse mitteilen lassen. Die Inhalte der kleinen Vorträge werden anhand von Stichpunkten auf Karteikarten festgehalten und dann wird frei darüber gesprochen. So können sich die Schüler in der Kunst der Präsentation üben. Am Ende kennt der Kurs die Inhalte des Werkes und die wichtigsten Aussagen.
    Auf dieser Basis wird nun der Lebensbezug vertieft, denn Max Frisch selbst regte einst an, dass seine Erzählung in die aktuelle Zeit gestellt und weitergedacht werden sollte. In Gruppenarbeit können die Schüler Beispiele für Andersartigkeit in unserer heutigen Gesellschaft finden. Im Rahmen der Freiarbeit
berichtete in diesem Beispiel ein Schüler über die Lebensgeschichte des Chinesen Xingeng He, der Mitglied in derselben evangelischen Gemeinde war wie der Schüler. Xingeng He wurde einst wegen seines christlichen Glaubens in China gefoltert und musste seine Heimat verlassen. In Remscheid fand er eine neue Lebensperspektive. Die Schüler luden Herrn He in ihren Unterricht ein. Er kam in Begleitung des evangelischen Pfarrers und erzählte den Schülern, was er erlebt hat. Zur christlichen Religion überzutreten war eine ausgesprochen gefährliche Sache im kommunistischen China. Sehr ausdrucksvoll beschrieb und zeigte Xingeng He den Schülern, wie ihm Stäbchen zwischen die Finger gelegt und gedreht worden sind, bis seine Fingergelenke brachen. Tief bewegt saßen die Schüler vor ihm und lauschten seinen Worten.
    Wenn man diese jungen Menschen eines Tages zum Buch »Der andorranische Jude« befragt, dann wissen sie anhand dieser Verknüpfung mit der Lebensrealität viel mehr, als wenn sie zehn Wochen lang nur am Buch gehangen und es wahrscheinlich längst schon vergessen hätten.
    Ein weiteres Beispiel für lebensnahes Lernen: Auch den Musikunterricht kann man so mit den Lebensumständen vernetzen, dass der Schüler hautnah erfährt, wie man am Leben für das Leben lernen kann. Wir planten mit den Schülern des zweiten Streicherklassenjahres, die jeweils erste Unterrichtseinheit im Monat in einer sozialen Einrichtung der Stadt abzuhalten. Im Altenheim, im Kindergarten, an Grundschulen oder bei der Tafel für Bedürftige wollten wir jeweils ein kleines Programm vortragen und unter dem Motto »Musik macht stark, mich – dich – alle« ein nachhaltiges soziales Bürgerengagement etablieren.
    Aus einer Idee entstand ein erfolgreicher Selbstläufer. Auf einmal übten Schüler auf ihrem Instrument, ohne dass wir Lehrer sie noch dazu anhalten mussten. Mit Kreativität und
großer Begeisterung wurden die Musikstunden zu einer wahren Fundgrube, in der die Schüler Ideen entwickelten, Teamgeist lebten und Eigenständigkeit bewiesen.
    Durch die Auftritte werden die Schüler bis heute in ihrer Persönlichkeit gestärkt und erweitern ständig ihre Lebenswelt. Beethovens »Freude, schöner Götterfunken« wurde beispielsweise neben der deutschen auch in einer türkischen Version aufgeführt, das Wort »Freude« wurde in vielen Sprachen zu einem rhythmischen Sprachspiel erweitert. Dieser Auftritt sorgte in einer Grundschule mit hohem Ausländeranteil für einen wahren Begeisterungssturm. Die musizierenden Schüler erlebten dabei eine Wertschätzung, die sie vorher nicht kannten. Das bewies: Engagement konkret zu leben, das macht immer Schule.
    Ein weiteres Beispiel, das mir spontan einfällt: Das Thema Mittelalter im Musikunterricht lebendig zu präsentieren kann allen Spaß machen. Wenn man die Schüler für ein Thema sensibilisieren will, ist es am besten, einen emotionalen Zugang zu finden. Man könnte die mittelalterlichen Märkte zur Weihnachtszeit nutzen, vielleicht, wenn man mit den Schülern unterwegs war – etwa
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