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Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition)

Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition)

Titel: Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition)
Autoren: Jochen Missfeldt
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Wehen und Geburtsschmerzen das Weite gesucht und lag irgendwo in der Gasse auf irgendeines Bürgers Kellerluke, schreibt der Dichter in seinen Erinnerungen. Da soll nun der gute Mann gelegen haben, womöglich im Regen? Blitz und Donner über sich? Irgendwann wird der frischgebackene Vater zurückgekehrt sein und seinen Sprössling zum ersten Mal gesehen haben.
    Die Namensgebung folgte Vernunft, Phantasie und Vätersitte: »Hans«, so hießen immer die erstgeborenen Söhne der Familie Storm, so nennt auch der Dichter später seinen Erstgeborenen, der Name »Theodor« wurde lediglich seiner Zierlichkeit wegen aus dem Kalender herausgesucht. »Woldsen« kam zu »Storm«, weil der männliche Zweig der Familie Woldsen, der Storms Mutter entstammte, ausgestorben war und der Name erhalten werden sollte.
    Im Kirchenbuch von St. Marien notierte der zuständige Propst Johann Tycho Hartz (1756–1827) als Taufdatum den 5. November und als Geburtsdatum: den 15. September zwischen 11 und 12 Uhr nachts. Für das Horoskop spielt dieser eine Tag Unterschied keine Rolle. Tierkreiszeichen, Aszendent, Mond bleiben gleich.
    Meine Mutter behauptete – sie müsse es doch am besten wissen – energisch den vierzehnten; und der Sohn glaubte der Mutter mehr als dem Propst. Der 14. September war ein Sonntag. Theodor Storm war und wollte Sonntagskind sein, denn Ein Sonntagskind ist immer der Poet , heißt ein Vers in seinem Gedicht »Märchen«. So gilt der 14. September als das richtige Datum. An diesem Tag wird Storms Geburtstag gefeiert.

Herkommen
    August Friedrich Woldsen (1792–1868), der später Ehrenbürger von Husum wurde – er hatte der Stadt ein Vermögen von 96 000 Talern Reichsmünze vermacht –, war ein entfernter Verwandter von Storms Mutter. Er hat sich 1841, nach dem Studium der Kirchenbücher, zum Herkommen der Woldsen-Familie schriftlich geäußert.
    Seine Aufzeichnungen berichten vom ersten auffindbaren Woldsen: Wold Nommensen (Wold = Wald), geboren in Padelack, einem Dorf in der Marsch südlich von Husum, das bei der großen Sturmflut von 1634 untergegangen war. Von Padelack ist nichts übrig geblieben. Auf den Messtischblättern (Maßstab 1:25 000) der ersten »Königl. Preuss. Land-Aufnahme von 1878« ist »Padelacks-Hallig« südwestlich von Husum aufgedruckt, verloren in einem großen weißen Fleck auf der Landkarte. Irgendwo im heutigen Simonsberger Koog, der erst 1862 gewonnen wurde, hatten Kirche und Dorf gelegen. Postadressen wie »Padelackhallig« erinnern heute daran.
    Wold Nommensen gab seinem Sohn den Vornamen Ingwer und den Nachnamen Woldsen. Diese (patronymische) Methode der Namensbildung war an Nord- und Ostsee seit Jahrhunderten Sitte: Dem Taufnamen des Sohnes wurde der Vorname des Vaters mit der Endung »sen« (= Sohn) beigefügt. Ingwer Woldsen gilt als der Stammvater der Woldsens. Er soll bey der großen Sturmfluth, worin Padelek untergegangen ist, in einer Wiege bei Arlewatt angetrieben seyn, schreibt August Friedrich. Das erinnert an das Schicksal des Führers, Propheten und Gesetzgebers Mose, der als Wickelkind in einem Rohrkörbchen im Nil-Schilf ausgesetzt, dann von der Königstochter gefunden wurde und als Adoptivsohn am ägyptischen Königshof aufwuchs. Storm schreibt in seinen Erinnerungen »Aus der Jugendzeit« nichts von »Wiege«, sondern von einem Halligenschiff , einem Schiff, das für den Verkehr im flachen Wattenmeer geeignet war. So hätten die Woldsens sich ans Festland gerettet.
    Stammvater Ingwer wurde herzoglicher Verwalter auf dem Gut Arlewatthof, das unmittelbar an der Hattstedter Marsch und am äußersten Rande der Geest liegt. Als »Grieshuus« wird dieser Adelshof in Storms Novelle »Zur Chronik von Grieshuus« (1884) zum zentralen Ort.
    Schon Ingwer Woldsens Sohn Christian Albrecht brachte es zu Ansehen und Reichtum. Er machte sein Geschäft mit »Import/Export«. Die nachfolgenden Woldsens übernahmen das Geschäft des Vaters. Was du ererbt von deinen Vätern hast, erwirb es, um es zu besitzen. Der Satz aus Goethes »Faust« war damals noch nicht in der Welt; aber er lag längst in der Luft.
    Ansehen und Wohlstand scheinen den Woldsens auch Verpflichtung und Ansporn gewesen zu sein. Der Bedeutendste dieses Geschlechts, schreibt Storm , war mein Urgroßvater mütterlicherseits, Senator Friedrich Woldsen (1725–1811), der vor meiner Geburt in Husum verstorben ist; der letzte große Kaufherr, den die Stadt gehabt hat, der seine Schiffe in See hatte und zu Weihnachten einen
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