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Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition)

Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition)

Titel: Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition)
Autoren: Jochen Missfeldt
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gesucht und da auch gefunden haben. Er wird jähzornig und halsstarrig gewesen sein, wenn Wünsche nicht so schnell in Erfüllung gingen. … ich bin leicht zur Heftigkeit geneigt, gesteht er seiner Verlobten Constanze. Meisterhaften Ausdruck findet er in seinen Novellen für jähzornige Temperamente: Bei Junker Hinrich hat an den Schläfen sich das Haar gleich einem dunklen Gefieder aufgesträubt, so dass man ihn mit seinen grauen, oft jähe Funken werfenden Augen einem Adler soll verglichen haben, heißt es in »Zur Chronik von Grieshuus« über einen der adeligen Zwillingsbrüder.
    Schnell von seinen Gefühlen übermannt und verletzt, nicht so schnell wieder geheilt – so kann man sich das Kind Theodor vorstellen, interessant und aufgeweckt, klug und neunmalklug, immer mal wieder »beleidigte Leberwurst«, seine Selbstsicherheit stand auf wackligen Füßen.
    Ich liebe das Leben grenzenlos. Ich möchte immer leben . Das hat der jugendliche Freund Ferdinand Tönnies an einem Sommerabend des Jahres 1870 den Dichter mit leuchtenden Augen sagen hören, gerade war der Deutsch-Französische Krieg ausgebrochen. Storm wiederholt das noch einmal zehn Jahre später in einem Brief an Erich Schmidt: Wie köstlich ist es, zu leben, bloß zu leben !
    Ohne Zweifel: Lebensfreude und Lebensliebe ziehen nachhaltig, unauslöschlich, immer vernehmbar und mit eindringlicher Stimme durch sein Werk; sie sind die Poesie, die Chemie im Werkstoff, die den teilnehmenden Leser nicht völlig trostlos zurücklassen angesichts der meist furchtbaren Schicksale, die Storms Figuren erleiden. Ohne Zweifel auch: Lebenshunger und Liebeshunger, die den ästhetischen Willen nie erlahmen lassen, die mit diesem Willen ihr poetisches Spiel treiben und ihm Ausdruck und Würde verleihen.

Haus und Hof, Stall und Garten
    Die Familie, Haus und Hof, Stall und Garten sind für Theodor Zuflucht und Heimat gewesen, sicherer, fester Boden unter den Füßen, Ort der Erholung, Freiheit und Raum für Kindheit und Jugend. Abenteuerspielplatz Großfamilie, wie man ihn heute gern für die eigenen Kinder hätte.
    Hinterm Haus in der Hohlen Gasse standen Lagergebäude einer Zuckerfabrik, die Storms Großvater Simon Woldsen gehörte. Nach dessen Tod wurde die Zuckerfabrik 1821 verpachtet, der Pächter zog in die Großstraße, um dort den »Zucker en gros und en détail« zu verkaufen. Nun gab es leer stehende Hallen und interessante Dachböden mit Staub und Plunder . Dort oben, in der Gewürzstube, trocknen Lavendel und Hagebutten, verströmen ihren Duft wie in einem Garten der Vergangenheit , beflügeln die Phantasie des Knaben. Ein Schrank, der da in feierlichem Schweigen steht, birgt in seinen Schubladen seltsame Fundsachen: Perücken und Haarbeutel, einen Buckelkratzer aus Mahagoni, eine große getrocknete Kröte , das Reiseglas, ein Stehaufmännchen, mit der Aufschrift » Trink’ mich aus, leg’ mich nieder! Steh’ ich auf, füll’ mich wieder.« Pokale und Kelche, insbesondere zwei gräuliche chinesische Pagoden , die Storm im »Hinzelmeier«-Märchen von 1850 auftreten lässt: Dort stand der Urgroßmutterschrank mit den wackelköpfigen Pagoden.
    Wer denkt da nicht an Fontanes »Effi Briest« und das Instetten-Haus in Kessin, an den Staub und Plunder dort, den Kapitän Thomsen von seinen Seereisen mitbrachte: den ausgestopften Haifisch, der als Ungeheuer in Storms Novelle »Im Nachbarhause links«, auch Mitbringsel eines Kapitäns, auftaucht; an das Krokodil, an den Chinesen, der offenbar noch oben im Saal des Hauses zwischen Staub und Plunder herumspukt und Effi mit wohldosiertem Terror in Angst und Schrecken hält.
    Im Garten hinter dem Haus in der Hohlen Gasse standen große Obstbäume und ein Ahornbaum , der mit seinen Zweigen ein zierliches Lusthaus überschattete und mit der Krone das mächtige Dach des Hauses überragte, schreibt Gertrud Storm in der Biographie über ihren Vater. Storm erinnert sich im Heiligenstadt-Exil an diesen Baum: Was gäbe ich drum, auch dann und wann unter dem Schatten des Ahorns sitzen zu können, euch kommen und gehen zu sehen, eure Stimmen zu hören und meine stillen Träume zu spinnen, heißt es in einem Brief an Bruder Aemil . Sie kletterten aufs Dach und jagten sich um die Schornsteine herum , schreibt Tochter Gertrud. Der nicht mehr ganz so junge Storm bestätigt das in Briefen an seine Verlobte und Kusine Constanze. Baumklettern und Dachspaziergänge spielen eine wichtige Rolle in Storms Novellen.
    Der Erzähler der Novelle
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