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Du bist das Boese

Du bist das Boese

Titel: Du bist das Boese
Autoren: Roberto Costantini
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Filter, die auf der Zunge Tabak und überall ihren Gestank hinterließen. »Aber sie schmecken großartig«, sagte er, um mich zu ermutigen. »Außerdem zähle ich sie ab. Nie mehr als zehn am Tag.« Solche Zigaretten rauchte niemand im Rom der Wohlhabenden, wo Marihuana chic war, Filterlose aber als provinziell galten. Der Blonde gehörte nicht in dieses Ambiente, das war offensichtlich. Aber wenn Paola ihn auserkoren hatte und ihm so treu war, besaß der Mann wohl verborgene Qualitäten. Und die einzigen, die ich mir vorstellen konnte, waren die im Bett.
    »Hast du dir den Pot geholt?«, fragte ich ihn. Er nickte, zeigte aber kein weitergehendes Interesse an dem Thema.
    »Dann hast du aber wirklich Glück. Für einen Flush war nur noch ein König im Spiel. Eine Chance von eins zu zehn …«
    Er schwieg. Erst nach einer Menge Whisky konnte ich ihm das Geständnis entlocken, dass er nur zwei Neunen auf der Hand gehabt hatte. »Berufsgeheimnis«, sagte er. Der Anwalt hatte sich in die Hose gemacht und war ausgestiegen.
    Während Paola und Camilla in der Küche plauderten, fragte Angelo mich nach meinem Beruf.
    »Bravo, Michele, dann hast wenigstens du einen Grund, morgens aufzustehen.«
    Ich schüttelte den Kopf. »In Wirklichkeit ist das alles Routine. Das Aufregendste, was ich in diesem Viertel erlebt habe, war die Suche nach dem Schnauzer deiner Freundin.«
    »Ach so, du warst der Retter, der ihn wiedergefunden hat! Und als Dankeschön …«, er deutete grinsend zur Küche.
    »Na ja, Camilla ist nicht übel. Schade, dass sie heute hier schläft.«
    Er dachte einen Augenblick nach. Dann stand er schwankend auf und stürzte ins Badezimmer, ohne die Tür hinter sich zu schließen. Würgelaute, Stöhnen. Die Mädels liefen hin, ich hinterher. Er hatte sich ins Waschbecken übergeben und lag nun blass auf dem Boden.
    »Ich hole einen Arzt«, sagte Paola beunruhigt.
    »Nein, nein«, stöhnte er. »Michele, schick sie raus und hilf mir. Ihr beide könnt mir einen schwarzen Kaffee machen, bitte.«
    Während Paola und Camilla wortlos in die Küche zurückgingen, zwinkerte Angelo mir zu.
    »Keine Sorge, alles in Ordnung. Aber ein bisschen Angst müssen wir ihnen schon noch machen.«
    Er steckte sich zwei Finger in den Rachen. Erneutes Würgen, die Mädels kamen wieder ins Bad geeilt.
    »Ich rufe den Arzt an«, sagte Paola noch besorgter.
    Ich schlug den gleichen selbstsicheren Ton an wie am Vortag, als sie ihren Schnauzer vermisst gemeldet hatte. Entschieden, beruhigend, gefasst. Ich wusste, was ich tat. »Nicht nötig, das Schlimmste hat er hinter sich. Ich kümmere mich um ihn.«
    Es ging noch eine ganze Weile mit filmreifem Würgen und Stöhnen weiter, dann lud ich mir Angelo auf die Schulter und trug ihn zu Paolas Doppelbett.
    »Mann, bist du schwer«, sagte ich, als ich ihn abwarf.
    »Ein bisschen musst du dich schon anstrengen, wenn du sie vögeln willst …« Er zwinkerte mir zu und begann wieder, leise zu stöhnen.
    Die Mädels brachten den schwarzen Kaffee. Angelo nippte angeekelt daran und jammerte.
    »Was sollen wir bloß machen?« Die jungen Frauen warteten auf Anweisungen, beeindruckt, wie gelassen ich mit Angelos Zusammenbruch umging.
    »Er soll heute Nacht hierbleiben«, sagte Angelo und nahm Paolas Hand. »Dann ist er da, wenn’s mir schlecht geht …«
    Tapfer bot ich an, beim Schnauzer im Wohnzimmer zu schlafen, da Camilla ja das Gästezimmer belegte. Eine Geste, die allseits gewürdigt wurde. In der Nacht kamen Camilla jedoch Bedenken, dass der Schnauzer schnarchen könnte, und sie gestattete mir, zu ihr ins Bett umzuziehen.
    So lernte ich Angelo Dioguardi kennen.
    Das Kommissariat von Vigna Clara war so aufregend wie ein Kurort. In diesem bürgerlichen Wohnviertel Roms plätscherte das Leben eines Polizisten so gemütlich dahin wie das eines Rentners. Saubere Straßen, schöne Häuser, viel Grün und kultivierte Leute, die es auf allen denkbaren erlaubten und unerlaubten Wegen zu wirtschaftlichem Erfolg gebracht hatten: Steuerhinterziehung, Bestechung, Vetternwirtschaft. Alles Finessen, die man sich in Italien und vor allem in Rom nach dem Krieg angeeignet hatte, um sich um jeden Preis seinen Anteil am wachsenden Wohlstand zu sichern.
    Seit zwei Jahren war ich nun hier, was ich meinem Bruder Alberto und seinen guten Beziehungen zur christdemokratischen Partei zu verdanken hatte. »Betrachte es als eine Zeit der Genesung, Mike. Nur ein paar Jahre, um dich zu erholen und darüber nachzudenken, was du mit
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